Wolfgang Bosbach (CDU): „Post braucht Konkurrenz“

Interview: Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach wundert sich nicht darüber, dass es kaum Streit auf dem CDU-Parteitag gab. Den Post-Mindestlohn sieht aber auch er kritisch.

Düsseldorf. Herr Bosbach, die CDU beschwört die Mitte - und doch ist sie im Vergleich zu ihren Parteitagsbeschlüssen von Leipzig nach links gerückt. Gefällt Ihnen der Kurs?

Bosbach: Ich stimme Ihrer Analyse nicht zu. Die CDU war, ist und bleibt die Volkspartei der Mitte. Aber die Bundestagswahl hat es uns leider nicht möglich gemacht, eine Koalition zu bilden, mit der wir die Leipziger Beschlüsse in praktische Politik hätten umsetzen können.

Merkel hat in ihrer langen Rede am Montag nur mit einem Satz darauf hingewiesen, dass wir ein einfacheres Steuerrecht mit niedrigeren Sätzen brauchen. Das war Ende 2003 in Leipzig neben der Gesundheitsreform das Leitthema.

Bosbach: Die Beschlüsse von Leipzig gelten fort, vor allem mit Blick auf das Steuerrecht. Hier in Hannover stand das neue Grundsatzprogramm im Mittelpunkt.

Die Position der Kanzlerin zum Post-Mindestlohn stößt bei Wirtschaftsliberalen in der Partei auf Kritik. Nun haben einige private Post-Konkurrenten angekündigt, Mitarbeiter entlassen zu müssen oder vielleicht sogar ganz aufzugeben. Das können Sie doch nicht gewollt haben.

Bosbach: Nein, das Ergebnis kann keiner wollen. Es bleibt nun abzuwarten, ob den Ankündigungen der Postkonkurrenten auch Taten folgen. Ist das so, dann wird der Post-Mindestlohn faktisch die Monopolstellung der Deutschen Post AG über den 1.Januar 2008 hinaus zementieren. Das ist weder ordnungspolitisch gewollt noch im Interesse des Verbrauchers. Wir brauchen eine starke Konkurrenz, damit der Verbraucher sich zwischen verschiedenen Dienstleistungen zu günstigen Preisen entscheiden kann.

Müssen Sie den Koalitionsbeschluss nicht noch einmal überdenken? Noch ist das Entsendegesetz nicht entsprechend erweitert worden.

Bosbach: Nein, wer A sagt, muss auch B sagen. Der Beschluss steht, und der Wortbruch-Vorwurf der SPD ist damit widerlegt. Ich gehe davon aus, dass sich in den kommenden Monaten weitere Branchen beim Bund melden, um in das Entsendegesetz aufgenommen zu werden. Für uns ist entscheidend, dass die Tarifverträge Vorrang haben. Flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne lehnen wir ab.

Die Kanzlerin hat ja angekündigt, dass sie Anträge aus anderen Branchen wohlwollend prüfen werde. Öffnet das nicht Tür und Tor für die SPD, nun inflationär weitere Mindestlohn-Regelungen zu fordern?

Bosbach: Ich war nie Anhänger der These, dass die SPD Ruhe gibt, wenn der Post-Mindestlohn kommt. Es ist damit zu rechnen, dass nun Branche für Branche folgen wird. Die SPD glaubt, dass dies ein Thema sei, mit dem sie bei den Wählern punkten kann.

Herr Bosbach, das neue Grundsatzprogramm der CDU fordert eine privilegierte Partnerschaft der Türkei mit der EU. Eine Vollmitgliedschaft wird aber nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Finden Sie das richtig so?

Bosbach: An dieser Stelle hätte ich mir ein klares Nein der CDU Deutschlands zur EU-Vollmitgliedschaft der Türkei gewünscht. Ich glaube, dass das auch der Türkei gegenüber fair gewesen wäre.

Damit stehen Sie offenbar nicht allein in der CDU. Wie erklären Sie sich, dass es dazu auf dem Parteitag praktisch keine Diskussion gegeben hat?

Bosbach: Ich kann verstehen, dass sich die Parteivorsitzende als Bundeskanzlerin das Leben nicht schwerer machen wollte und ein bisschen Flexibilität braucht. Dem sind die Delegierten gefolgt.

Sollte man nicht eher sagen, dass die Parteitagsregie die entsprechende Diskussion sanft abgewürgt hat?

Bosbach: Die Parteitagsregie war von dem Gedanken getragen, Geschlossenheit und Entschlossenheit zu demonstrieren. Außerdem ist die CDU eine Partei, die es ihrer Führung nicht noch schwerer macht, als sie es in der Großen Koalition ohnehin schon hat.

Kann man wohl sagen. Unter dem Strich hat der Parteitag, obwohl es mehr als 2400 Änderungsanträge gab, den Entwurf zum Grundsatzprogramm so gut wie nicht geändert.

Entlassungen Der private Postzusteller Pin AG hat unter Hinweis auf die Mindestlohnpläne der Großen Koalition die Entlassung von rund 1000 Mitarbeitern angekündigt. Darüber hinaus sei eine Vielzahl weiterer Arbeitsplätze im Konzern gefährdet, teilte das Unternehmen mit. Der Schwerpunkt der Entlassungen liege auf den Bundesländern Niedersachsen und Bayern.

Unternehmen Das Unternehmen mit derzeit rund 9000 Beschäftigten ist nach eigenen Angaben der größte private Briefdienstleister nach der Deutschen Post. In der vergangenen Woche hatte sich die Bundesregierung darauf geeinigt, zum 1. Januar 2008 einen Post-Mindestlohn in Höhe von 8bis 9,80 Euro einzuführen. Der Pin-Basislohn liegt darunter.