Köln Silvesternacht — Blickwinkel einer Polizistin
Die frühere Polizeisprecherin erklärt im Landtag das Kommunikationsdesaster nach den Gewaltexzessen von Köln.
Düsseldorf. „ . . . gestaltete sich die Einsatzlage entspannt — auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte.“ So endet die Pressemitteilung der Kölner Polizei am 1. Januar. Eine Mitteilung, die das glatte Gegenteil der Realitäten um die Geschehnisse der Silvesternacht am und im Kölner Hauptbahnhof behauptet.
Wie kann so etwas passieren? Das will der Untersuchungsausschuss „Silvesternacht 2015“ des Landtags von der Frau wissen, die zu der Zeit die Pressestelle im Kölner Polizeipräsidium leitete. Doch Martina Kaiser will erst einmal etwas loswerden, bevor sie die Fragen der Abgeordneten beantwortet. Es sei „mit das Schlimmste für jeden Polizeibeamten zu wissen, dass wir Straftaten nicht mitbekommen haben“, sagt die Frau, die seit 36 Jahren im Polizeidienst ist. Man spürt, dass es nicht nur eine Floskel ist, wenn sie sagt: „Das hat etwas mit mir gemacht.“
Sie selbst hatte in der Silvesternacht frei, wurde bei einer privaten Feier kurz vor Mitternacht vom Bereitschaftsdienst ihrer Pressestelle angerufen. Dass der Bahnhofsvorplatz geräumt und Feuerwerksköper gezündet worden seien, dass danach aber die Lage stabil gewesen sei, hieß es da. So sei der Informationsstand gewesen.
Auch am nächsten Morgen habe sich die Lage kaum anders dargestellt. „Um 8.35 Uhr habe ich mit der Bereitschaftsbeamtin telefoniert.“ Diese war von der Leitstelle informiert worden. In der der Pressestelle zugegangenen Information mit der sogenannten Standardtabelle über festgestellte Straftaten sei von drei Sexualdelikten die Rede gewesen. Es solle nicht zynisch klingen, sagt Kaiser, aber für eine Stadt wie Köln sei das keine außergewöhnlich hohe Zahl. Und so ging um neun Minuten vor neun am Neujahrstag die völlig verharmlosende Pressemitteilung heraus. Erst nach und nach sei der Polizei das Ausmaß klar geworden, sagt sie.
„Mit dem Kenntnisstand von heute würde ich vieles anders machen“, entgegnet sie den Abgeordneten, für die es leicht ist, auf Basis des Kenntnisstands von heute bohrende Fragen zu stellen. Wobei der Ausschussvorsitzende Peter Biesenbach (CDU) sich durch einfühlsames Fragen wohltuend vom inquisitorischen Habitus manch eines Kollegen abhebt. Er ruft die Kollegen zur Ordnung, sobald sie ihre Fragen mit eigenen Wertungen vermischen.
Ob die Polizei bewusst Nationalitäten verschweige, wird Kaiser gefragt. „Es war nicht die Absicht, irgendetwas zu vertuschen“, sagt sie, man habe ja auch deutlich gesagt, dass es sich um nordafrikanisch-arabisch aussehende Täter gehandelt habe. Kaiser antwortet präzise und konzentriert. An diesem Punkt wird sie aber auch dezidiert, als sie sagt: „Die Polizei nennt die Nationalität des Tatverdächtigen, wenn dies sinnbringend ist, um Täter zu identifizieren. Ansonsten müssen wir uns neutral verhalten. „Wir suchen Straftäter — und nicht Syrer, Belgier oder Holländer.“
Polizeisprecherin ist Kaiser längst nicht mehr. Sie ließ sich auf eigenen Wunsch umsetzen. Mit dem neuen Polizeipräsidenten musste es auch in der Darstellung nach außen einen Neuanfang geben, sagt sie.