Stirnrunzeln in Europa: Was ist in Sarkozy gefahren?

Der französische Präsident eckt mit der Behauptung an, Deutschland wolle in Kürze vermeintliche Roma-Lager räumen.

Paris. Frankreichs Staatspräsident bläst ein scharfer Wind ins Gesicht. Zuerst wünscht sich ein katholischer Priester in Lille, Nicolas Sarkozy möge das Herz stehen bleiben. Dann vergleicht EU-Justizkommissarin Viviane Reding seine umstrittene Roma-Vertreibung mit den Judendeportationen der Nazis. Und nun steht er wegen seiner mysteriösen Behauptung, schon bald werde auch Deutschland Roma-Lager räumen, als Lügenbold da.

Im Elysée-Palast herrscht am Freitag demonstratives Schweigen: kein Sterbenswörtchen zur rätselhaften Behauptung des Staatspräsidenten über deutsche Roma-Lager. Kein Rückzieher, aber auch keine Bestätigung.

Ganz anders das Kanzleramt. Schon am Donnerstagabend tritt Regierungssprecher Steffen Seibert das gefährliche Feuer aus, das Nicolas Sarkozy zuvor in Brüssel mit seiner umstrittenen Äußerung entfacht hat. Angela Merkel "habe weder im Europäischen Rat noch bei Gesprächen mit dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy am Rande des Rates über vermeintliche Roma-Lager in Deutschland, geschweige denn deren Räumung gesprochen".

Während Außenminister Guido Westerwelle - wohl um das ramponierte Gesicht des Präsidenten einigermaßen zu wahren - von einem "Missverständnis" spricht, fällt sein französischer Kollege Bernard Kouchner dem eigenen Präsidenten in den Rücken. Er habe Sarkozy in Brüssel gar nicht mit Merkel reden hören, sagte Kouchner.

Es läuft überhaupt nicht rund für den französischen Präsidenten. Die provokativen Titelseiten der großen Nachrichtenmagazine beweisen eindrucksvoll, wie tief sein Ansehen gesunken ist. Keine Spur mehr vom allgegenwärtigen "Super-Sarko". Stattdessen kippen die Blattmacher kübelweise Häme und Spott über ihn aus.

Den vorläufigen Höhepunkt der "Anti-Sarko-Hetze" liefert der renommierte "Nouvel Observateur", der den Präsidenten mit einem Schwarz-Weiß-Bild im Stile eines Fahndungsfotos auf den Titel bringt. Es zeigt den Staatschef ohne Krawatte und mit offenem Hemdkragen, dafür mit Dreitage-Bart und einem Balken im Gesicht sowie der Frage: "Ist dieser Mann gefährlich?".

So viel Häme gegen einen Staatspräsidenten hat es in der Geschichte der V. Republik noch nicht gegeben. Überrascht von diesem Phänomen wirft selbst die Zeitung "Le Parisien" die Frage auf: "Warum so viel Respektlosigkeit?". Der grüne Parlamentsabgeordnete Noel Mamère deutet diese Kampagne als "Bumerang-Effekt": "Es war Nicolas Sarkozy, der die Vulgarität in die Sprache der Politik eingeführt hat."

Frankreich drückt ein immenser Reformstau. Während sein Vorgänger Jacques Chirac die Hände zwölf Jahre tatenlos in den Schoß legte, versprach Nicolas Sarkozy dem Volk 2007 die "rupture", den "Bruch" mit der Vergangenheit und auch ein Ende von Privilegien wie etwa die Rente mit 60. Dass er dafür so viel Hass und Verunglimpfung ernten würde, haben sie im Elysée-Palast allerdings nicht erwartet.