Studenten-Revolte: Ein Todesschuss mit Widerhall

Der Tod von Benno Ohnesorg war vor 40 Jahren die Initialzündung für die außerparlamentarische Protestbewegung.

<strong>Berlin. Am Abend des 2. Juni 1967 erlebten der Schah von Persien und seine Gattin Farah Diba mit Mozarts "Zauberflöte" in der Deutschen Oper den Höhepunkt ihres Berlin-Besuches. Neben ihnen saßen Bundespräsident Heinrich Lübke und der Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD). Doch während sie der "Versöhnungsarie" lauschten, tobte vor dem Opernhaus eine Straßenschlacht zwischen Polizei und Demonstranten mit Wasserwerfern, Reiterstaffel und Schlagstöcken, wie es sie in West-Berlin noch nicht gegeben hatte. Es sollte der letzte Tag im Leben des 26-jährigen Benno Ohnesorg sein.

Der Funke sprang von Berlin auf westdeutsche Unis über

Der Hamburger Politologe Wolfgang Kraushaar sieht den gewaltsamen Tod Ohnesorgs vor 40 Jahren als Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. "Der 2. Juni 1967 ist zweifelsohne der Ausgangspunkt der Studentenbewegung gewesen", sagt Kraushaar. Durch die tödlichen Schüsse des Polizisten Karl-Heinz Kurras sei der Funke von der Freien Universität auf andere westdeutsche Hochschulen übergesprungen. "Es herrschte große Verunsicherung, ob man es mit den Anzeichen eines Polizeistaates zu tun habe", sagt Kraushaar.

Todesschütze Kurras verweigert bis heute jede Auskunft zur Tat

Zugleich verweist der Forscher des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS) darauf, dass viele Umstände des Todes Ohnesorgs bei der Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien vor 40 Jahren noch immer ungeklärt sind. Der Todesschütze Kurras verweigert bis heute Auskünfte zu dem Ereignis. Ohnesorg war aus 1,50 Meter Entfernung in den Hinterkopf geschossen worden. Kurras, der bei der Demo als so genannter "ziviler Greifer" ohne Uniform im Einsatz war, wurde später freigesprochen.

Eventuell sei die Polizei durch eine "infame Desinformations- Taktik" aufgestachelt worden, sagt Kraushaar. Bei der Demonstration machte die falsche Nachricht die Runde, ein Student habe einen Polizisten erstochen. "Ein neues Buch von Uwe Soukup enthüllt, dass diese Information angeblich noch vor Ohnesorgs Tod über Lautsprecher verbreitet wurde", berichtet der 58-Jährige, der seit Jahren zur 68er-Bewegung und zur Geschichte des Linksterrorismus forscht.

Auch hinter der Rolle der USA stehe ein großes Fragezeichen. Anlässlich des Schah-Besuchs waren zahlreiche so genannte "Jubel-Perser" in West-Berlin, die unter den Augen der Polizei mit Stöcken auf die demonstrierenden Studenten einschlugen. "Es ist ungeklärt, wie sie nach Berlin kamen und warum sie dermaßen die Stimmung anstacheln konnten", sagt Kraushaar.

Die USA verfügten als westliche Schutzmacht über Einfluss in West-Berlin, zudem war Schah Reza Pahlevi mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes in Persien - dem heutigen Iran - an die Macht gekommen. Der damalige Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz (SPD), der auf Grund der Ereignisse zurücktrat, habe immer beteuert, nicht über die Hintergründe des 2. Juni informiert gewesen zu sein.

Die DDR wiederum versuchte den Todesschuss propagandistisch als Akt westdeutscher Polizeiwillkür auszubeuten. Die Wagenkolonne mit Ohnesorgs Leichnam konnte auf dem Weg in dessen Heimatstadt Hannover ohne die üblichen Kontrollen die Transitstrecke durch die DDR passieren. "Auf den Brücken entlang der Strecke standen tausende FDJ-Mitglieder, um dem Toten die Ehre zu erweisen", erzählt Kraushaar.

Natürlich hätte es seiner Meinung nach auch ohne Ohnesorgs Tod die später als "68er" bezeichnete Bewegung gegeben. "Aber ein toter Demonstrant ist eine Initialzündung für die schnelle Ausbreitung einer Bewegung." Das Ereignis sei aber auch missbraucht worden. Die aus der Berliner Subkultur hervorgegangene Terror-Gruppe "Bewegung 2. Juni" begründete ihre Existenz laut Kraushaar wie folgt: "Der Staat hat am 2. Juni zuerst geschossen. Alles, was wir nun tun, ist nur ein Akt der Gegengewalt." Die Terror-Gruppe existierte bis 1980.