Andrea Nahles im WZ-Interview: „Zurzeit ist die Linkspartei nicht koalitionsfähig“

Was die designierte Vize-Vorsitzende der SPD, Andrea Nahles, über Fidel Castro, Oskar Lafontaine und Angela Merkel denkt.

Frau Nahles, hängt in Ihrem Büro noch immer ein Foto von Fidel Castro?

Nahles: Ja, das habe ich mir mal gekauft nach einer sehr schönen Urlaubsfahrt nach Havanna. Es ist allerdings nur ein Gag. Das Foto zeigt den jungen Fidel, als er noch kein Diktator war. Es ist keine Heiligenverehrung, und darum werde ich das Foto auch nicht abhängen.

Keine politische Aussage?

Nahles: Nein, ich mag Kuba - ähnlich wie Gerhard Schröder. Der hat immer kubanische Zigarren geraucht. Nur: Ich rauche nicht.

Gehört das zu Ihrem Erfolgsrezept: zu provozieren, dann aber auch wieder ganz pragmatische Politik zu machen?

Nahles: Ich weiß, dass es so wirkt, aber ich lege es nicht auf Provokation an. Ich spreche meine Meinung gerne klar aus, statt herumzueiern. Damit tritt man den Leuten manchmal auf die Füße. Trotzdem weiß ich ja, wie eine parlamentarische Demokratie funktioniert. Wenn ich für eine Position in meiner Fraktion keine Mehrheit finde, muss ich mich in die Reihe stellen.

So wie bei der Unternehmenssteuer-Reform? Die haben Sie monatelang kritisiert, um ihr dann im Bundestag doch zuzustimmen.

Nahles: Das ist doch ein normaler Vorgang. Ich habe zugestimmt, weil es neben der Netto-Entlastung für die Unternehmen eine Reform der Erbschaftssteuer geben soll, aus der mehr Einnahmen für Investitionen in Bildung resultieren.

Bei der Gesundheitsreform haben Sie mit "Nein" gestimmt und das mit Ihrem Gewissen begründet. Was war da anders?

Nahles: Ich bin Parlamentarierin. Die Frage, was eine Gewissensentscheidung ist, muss man sich in jedem Fall neu stellen. Dafür gibt es keine Schablone. Ehrlich, ich bin erstaunt, warum jetzt alles auf die Goldwaage gelegt wird.

Weil Sie demnächst stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende werden. Da bekommt Ihr Verhalten ein anderes Gewicht. Schränkt das Ihren Entscheidungsspielraum nicht zusätzlich ein?

Nahles: Nein. Andernfalls würde das ja bedeuten, dass man seinem Gewissen nur folgen kann, wenn man nicht in der Verantwortung ist. Richtig ist: Wenn mich die Partei im Herbst wählt, dann bin ich nicht mehr die einfache Abgeordnete. Aber darüber freue ich mich. Das gibt mir mehr, nicht weniger Gestaltungsspielraum.

Bleiben Sie Sprecherin der Parteilinken?

Nahles: Es ist nichts anderes geplant.

In dieser Woche haben Sie Schlagzeilen damit gemacht, Sie würden einen Ausstieg aus der Rente mit 67 nicht ausschließen. Wie verärgert war denn der Bundesarbeitsminister, Franz Müntefering?

Nahles: Gar nicht, weil nicht ich die Schlagzeilen gemacht habe, sondern die Medien. Die Rente mit 67 ist zwar ein unpopulärer, aber notwendiger Schritt, weil die Gesellschaft immer älter wird. Aber die Rente mit 67 braucht Ergänzungen. So haben ältere Menschen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland schlechte Karten. Auch müssen wir Leuten, die einen besonders harten Job haben, die Möglichkeit geben, früher aus dem Erwerbsleben auszusteigen, ohne dass sie erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die diese Probleme lösen soll.

Also stimmt es: Sie schließen einen Ausstieg aus der Rente mit 67 nicht aus.

Nahles: Ich empfehle einen Blick ins Gesetz. Es gibt keinen Automatismus für einen Ausstieg, aber eine Revisionsklausel: Im Jahre 2010 muss sich der Bundestag mit den Chancen von Älteren auf dem Arbeitsmarkt beschäftigen.

Es gibt in Deutschland, auch aktuell im Bundestag, eine so genannte linke Mehrheit. Wann koalieren Sie mit der Linkspartei?

Nahles: Gegenfrage: Wann ist die Linkspartei denn koalitionsfähig? Zurzeit ist sie es nicht - und sie will es auch nicht sein. Sie will raus aus Hartz IV, raus aus der Nato, raus aus allen internationalen Verträgen. Oskar Lafontaine trimmt die Linkspartei voll auf Opposition.

Lafontaine hat Sie mal als "Gottesgeschenk” für die SPD bezeichnet.

Nahles: Das Zitat ist zwölf Jahre alt. In der Zeit ist viel passiert.

Haben Sie noch Kontakt?

Nahles: Wenn ich ihn treffe, sage ich: "Guten Tag."

Sie sind ja nun bald die mächtigste Frau in der SPD . . .

Nahles (lacht): Wirklich? Warten wir das mal ab. Die mächtigste Frau in der SPD ist die Schatzmeisterin. Geld regiert die Welt.

In der CDU ist die mächtigste Frau die Kanzlerin. Gibt es etwas, das Sie sich von ihr abschauen?

Nahles: Ja, sicher. Ihre Geduld.

Geduld? Meinen Sie damit, dass Angela Merkel gut Probleme aussitzen kann?

Nahles: Das ist der Nachteil. Wenn Sie mich fragen, wie ich sie als Kanzlerin finde...

Okay, wie finden Sie sie als Kanzlerin?

Linke Andrea Nahles war von 1995 bis 1999 Bundesvorsitzende der Jungsozialisten (Jusos).

Karriere Nachdem die 36-Jährige lange Zeit als Königsmörderin von Franz Müntefering als Parteichef galt, soll sie nun selbst im Herbst Vize-Vorsitzende werden.