Türkei klagt deutschen Studenten an

Westerwälder saß während der Gezi-Proteste in Istanbul in einem nahen Café. Nun gibt es einen Prozess gegen ihn — und einen Haftbefehl.

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Istanbul. Deniz Schmick verbringt ein Studienjahr in der Türkei, als Ende Mai vergangenen Jahres die landesweiten Proteste in Istanbul ausbrechen. Am Rande einer der Demonstrationen wird der Deutsche als angeblicher Gewalttäter festgenommen — aus einer Istanbuler Kneipe heraus, in der er einen Eistee trinkt. Aus dem Kneipenabend mit Freunden ist für den heute 28-Jährigen ein juristischer Albtraum geworden. Ein Istanbuler Gericht verhandelt am Dienstag gegen Schmick und rund 300 weitere Beschuldigte.

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Schmick selbst schreibt derzeit in Betzdorf im Westerwald an seiner Diplomarbeit, mit der er sein Maschinenbau-Studium beenden will. Zu seinem Prozess reist er nicht an — er dürfte spätestens bei der Passkontrolle gestoppt werden, denn das Gericht hat Haftbefehl erlassen. Aus Schmicks Sicht ist das Verfahren, das im Februar begonnen hat, eine Farce. „Ich habe davon nur aus türkischen Medien erfahren. Mich hat niemand über die Verhandlung informiert.“

Schmick war zur falschen Zeit am falschen Ort. Ein Reporter hielt sich an dem betreffenden Augustabend zufällig mit Schmick im selben Lokal auf, vor dessen Tür sich Demonstranten und Polizisten Straßenschlachten lieferten. Nur einige wenige Protestler flüchteten in die Kneipe, bevor ein Kellner die Tür absperrte. Die Polizei nahm nach dem Ende der Zusammenstöße trotzdem die meisten Gäste fest. Schmick wurde vier Tage eingesperrt und sollte eigentlich abgeschoben werden. Seine türkische Rektorin setzte sich dafür ein, dass er sein Studienjahr beenden durfte.

Auch aus dem Polizeibericht geht hervor, dass Schmick an dem Abend auf keiner der vielen Überwachungskameras aufgezeichnet wurde. Trotzdem wird ihm nun vorgeworfen, Polizisten mit Flaschen und Steinen beworfen zu haben. Als belastend wurde nach seiner Festnahme protokolliert, dass er Verbandsmaterial — drei Mullbinden — bei sich hatte. Allerdings ist Schmick ausgebildeter Sanitäter. Nach Angaben von Schmicks Anwältin Zehra Özdemir drohen ihm bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft.

Der Angeklagte sagt: „Da kann man nur froh sein, dass es zwischen Deutschland und der Türkei kein Auslieferungsabkommen gibt.“ Anwältin Özdemir rechnet am Dienstag noch nicht mit einem Urteil. Schmick hofft, dass er am Ende des Prozesses, bei dem nach seinen Angaben noch zwei weitere Deutsche angeklagt sind, freigesprochen wird. Und der Student hofft, dass er nicht auf den Anwaltskosten sitzenbleibt. Eigentlich wollte er nach dem Studium in die Türkei ziehen und dort eine Arbeit suchen. „Aber den Plan, mir eine Zukunft in der Türkei aufzubauen, habe ich mir eh abgeschminkt.“