Umstrittener Schlag gegen Kinderpornos
Analyse: Internetsperre: Eine notwendige Maßnahme oder ein Einfallstor für staatliche Zensur? Aktivisten sammeln 130 000 Unterschriften gegen "Zensursula"
Berlin. Für die Einen ist es ein sinnvoller Schritt zur Eindämmung des schmutzigen Geschäfts mit Kinderpornografie. Andere sehen in der heute im Bundestag anstehenden Entscheidung über die Web-Sperrung kinderpornografischer Seiten "die Abschaffung der Freiheit im Internet". Ähnlich wie in Skandinavien, den Niederlanden, Italien und anderen Staaten soll auch in Deutschland ein rotes Stoppschild auf dem PC-Schirm erscheinen, wenn der Nutzer - absichtlich oder zufällig - eine zuvor vom Bundeskriminalamt ausgespähte Seite mit kinderpornografischen Inhalten angewählt hat.
Nach deutlichen Korrekturen am ursprünglichen Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium gilt die Verabschiedung nunmehr als sicher. Das "Zugangserschwerungsgesetz" wird zunächst auf drei Jahre befristet und dann auf den Prüfstand gestellt. Ein vom Datenschutzbeauftragten bestelltes Kontrollgremium wird die Sperrlisten überprüfen. Und auch anders als zunächst vorgesehen, sollen Daten der Anwähler nicht zur Strafverfolgung genutzt werden.
Selten hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) in ihrer bisher steil verlaufenen Politkarriere so viel Gegenwind erfahren. Binnen sechs Wochen sammelten Internet-Fans 130 000 Unterschriften für eine Petition gegen das von ihr angestoßene Sperrvorhaben. "Zensursula" wurde von der Leyen auf Plakaten und in Blogs von einer protestierenden Internetgemeinde genannt.
Die Kritiker befürchten: Ist "die Büchse der Pandora" einmal geöffnet und die Zensur im Internet auf rechtlichen Boden gestellt, dann könnten nach der Kinderpornografie schnell auch andere Bereiche folgen. Andeutungen von Politikern aus Union wie SPD, dass man solche Ausweitungen bei antisemitischen, rechts- wie linksextremistischen oder gewaltverherrlichenden Texten zumindest erwägen sollte, gaben dieser Debatte zusätzlich Nahrung.
Doch während bei Texten mit politischen Inhalten die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Verfassungswidrigkeit häufig juristisch fließend ist, lässt sich Kinderpornografie schon allein durch das gesetzliche Schutzalter von 14 Jahren eindeutiger definieren. Doch das Internet als ein rechtsfreier Raum - in dem alles möglich ist? Von der Leyen hielt dagegen: "Es geht ja auch nicht, dass ein Kind auf offener Straße vergewaltigt wird, und Passanten schauen tatenlos zu."