Wende-Tagebuch: Hoffnung in Leipzig, Gewalt in Halle

Wir bieten bis zum 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November ein Wende-Tagebuch an. Es beschreibt die Ereignisse in der DDR in den turbulentesten Wochen 1989.

9. Oktober 1989 In Leipzig feiern die Bürgerrechtler an diesem Tag ihren ersten großen Sieg: 70 000 Menschen demonstrieren in den Straßen - erstmals greifen die Sicherheitskräfte nicht ein.

Auch in Dresden deutet sich ein von Teilen der dortigen SED gewollter Strategiewechsel an: Zum ersten Mal empfängt Oberbürgermeister Berghofer Bürgerrechtler zum Gespräch. Ganz anders stellt sich die Situation in Halle dar. Den ganzen Tag über nimmt die Stasi Oppositionelle fest. Am Abend findet in der Marienkirche ein Friedensgebet statt.

Der Andrang ist so groß, dass viele Besucher nur noch vor der Kirche Platz finden. Sie sind die ersten, die von den prügelnden Polizeieinheiten attackiert werden. Viele Bürgerrechtler werden verhaftet.

Derweil gibt sich Erich Honecker von den Protesten unbeeindruckt. Demonstrativ empfängt er eine Delegation aus China. Viele verstehen das als Drohung: In China waren die Studentenproteste vier Monate zuvor blutig niedergeschlagen worden.