Berlin. Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin ist für seine scharfen Sprüche bekannt. Seit seinen heftigen Attacken gegen Muslime im Kulturmagazin "Lettre International" muss sich das Enfant Terrible der Finanzszene nun den Vorwurf gefallen lassen, ein geistiger Brandstifter und Volksverhetzer zu sein. Erreicht hat der SPD-Politiker und Berliner Ex-Senator, dass über Integration in Deutschland wieder heftig diskutiert wird. Einer, der sich bereits länger mit dem Thema befasst, ist Marcel Kruse. In seinem Buch "Verschlingt der Islam Deutschland?" lässt der Autor Befürworter und Kritiker, Menschenrechtler, Betroffene und Theologen zu Wort kommen. Sie klopfen jene Thesen auf ihren Wahrheitsgehalt ab, die Sarrazin vertritt.
Sarrazin: "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate." Eine Behauptung, die Michael Bommes, Direktor des Instituts für Migrationsforschung an der Uni Osnabrück, längst zu widerlegen weiß: "Die erste Generation hatte noch viele Kinder, die zweite gleicht sich bereits an und bekommt weniger Kinder." Daher eigne sich Migration umgekehrt auch nicht zur Reparatur von Bevölkerungsschwund.
Sarrazin: "Große Teile der türkisch- und arabischstämmigen Bevölkerung in Berlin sind weder integrationswillig noch integrationsfähig." Der Direktor des Instituts für Menschenrechte in Berlin, Heiner Bielefeldt, versucht, solche Thesen mit einer Umfrage zu entkräften: "Nur 15Prozent der Muslime in Deutschland haben den Wunsch, nur unter ihresgleichen zu leben. Dem gegenüber stehen 38Prozent der Deutschen, die nur unter deutschen Nachbarn wohnen wollen."
Sarrazin: "Türkische und arabische Einwanderer haben keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel." Ein Problem, das für den Migrationsforscher Bommes hausgemacht ist. Arbeitsmigration, wie sie in Deutschland erfolgt sei, bringe "hauptsächlich keine Intellektuellen nach Deutschland". Arnulf von Scheliha, Professor für Evangelische Theologie in Osnabrück, sieht indes beide Seiten in der Pflicht: "Die Eltern muslimischer Kinder müssen sich klarmachen, dass sie fördern oder verhindern, dass ihre Kinder in drei, vier Jahrzehnten zur Elite gehören können, wenn sie von ihren Elternhäusern jetzt Rückhalt für eigene Bildungsanstrengungen erfahren und umgekehrt von der Mehrheitsgesellschaft aufgenommen werden."