Weniger Tee für britische Staatsdiener
Die Regierung in London fragte ihre Bürger, wo gespart werden soll. Die Antworten waren so schräg, dass die Internetseite vom Netz genommen wurde.
London. Tolle Idee, charmanter Flop: Britische Spaßvögel haben einen Versuch der Regierung torpediert, Bürger in die Sanierung des Staatshaushaltes einzubinden. Im Internet sollten sie bestimmen, wohin die Spar-Axt fallen soll. Doch die Vorschläge waren so schräg, satirisch oder fies, dass die Seite nun vom Netz genommen worden ist.
Mehr Bürgerbeteiligung - davon schwärmt die neue konservativ-liberale Koalition, seitdem sie an der Macht ist. Doch wie wenig Witz direkte Demokratie wirklich aushält, zeigt jetzt ihr Projekt, Wähler ins Regierungsgeschäft einzubinden. Unter dem Banner "Mehr Leistung für weniger Kosten" hatte sie das Volk aufgerufen, dem Finanzministerium Sparvorschläge zu unterbreiten. Die Resonanz war riesig - und riesig amüsant, doch leider nicht nach dem Geschmack der konsternierten Politiker.
"Wir sollten aufhören, Geld für illegale Kriege rauszuwerfen und aus falschen Vorgaben in Länder einzumarschieren, nur um deren Rohstoffe zu rauben", schrieb ein Bürger. Einsparpotenzial: sicher ein paar Millionen. Auch kleine Ausgaben können einen großen Unterschied machen, weiß das Volk - und kann seine Weisheit endlich mal im Zentrum der Macht anbringen. So schreibt einer: "Teetassen mit einem Volumen von mehr als 150 Millilitern sollten in Amtsstuben verboten werden, damit die Beamten seltener zum Klo müssen und mehr arbeiten." 13 Milliarden Euro, so glaubt er, könne man auf diese Weise einsparen.
Eine Dame stellte ein viel beachtetes Rezept zum Reste-Essen auf die Seite ("Rindfleisch-Auflauf mit Gemüse"). Ein anderer kluger Kopf empfahl, Politikern die Mietkostenzuschüsse zu streichen und stattdessen Zelte zu verteilen. Zu den Favoriten zählte auch die Idee, Menschen mit besonders verbreiteten Vornamen wie Steve eine Zufalls-Steuer aufzubrummen oder Haustiere zur Stromgewinnung auf Laufbänder zu setzen.
Manches war freilich richtig fies: Die Ideen, Sozialhilfeempfänger in Arbeitslager zu zwingen, waren so zahlreich, dass einer gleich den nächsten Sparvorschlag entwickelte: "Wenn wir jedem, der hier vorschlägt, dass Sozialhilfeempfänger arbeiten gehen sollen, zehn Pfund berechnen, sind alle Geldprobleme gelöst." Doch weder Opposition noch Regierung nahmen’s mit Humor.
In einer parlamentarischen Fragestunde attackierte Oppositions-Politikerin Angela Eagle das unmoderierte Forum als rassistisch und vielseitig feindlich. Derzeit darf man seine Ideen zwar noch loswerden, doch der gesammelte Schatz an Spar-Vorschlägen ist "wegen einer kleinen Zahl bösartiger Angriffe" nicht mehr öffentlich zugänglich. Stattdessen ist nachzulesen, welche kreativen, aber wenig unterhaltsamen Ideen die Staatsdiener ersonnen haben: Mehr Papier wollen sie recyceln und Freiminuten fürs Diensthandy aushandeln.
Überflüssig zu sagen, dass das Mutterland des Humors nicht auf solche plumpen Erziehungsversuche hereinfällt. Die Spar-Diskussion der Wähler, längst eine Goldgrube für Profi-Komiker, hat sich kurzerhand in die Online-Foren britischer Medien verlagert. Das ist vielleicht nicht direkte, aber digitale Demokratie.