Wenn in der Bahn das Privatleben hörbar mitfährt

Ob Eheprobleme oder der Einkaufszettel — Fahrgäste breiten am Handy Dinge aus, die keiner hören will.

Düsseldorf. Das waren noch Zeiten, als die Telefonzelle unterwegs die einzige Möglichkeit fürs Telefonieren war. Der unschlagbare Vorteil: Bei den meisten konnte man die Tür hinter sich zuziehen.

Heute weiß der Fahrgast in Bus und Bahn nicht selten, wie sein Gegenüber seine Frau nennt. Dem Handy sei Dank. „Mäuschen, ich fahre jetzt los“ — ein Satz, der in öffentlichen Verkehrsmitteln täglich zu hören ist. Nur der Kosename variiert.

Da wird munter über Beziehungsprobleme geplaudert: „Ich glaube, ich mach’ heute mit Jonathan Schluss.“ Sogar Geschäftliches wird gerne mit dem gesamten Waggon geteilt. Situationen, die auch Hans-Michael Klein von der Knigge Akademie schon öfter erlebt hat.

„Da breiten Rechtsanwälte ihre kompletten Fälle mit Aktenzeichen aus. Gerne werden gleich Name und Adresse der Klienten Buchstabe für Buchstabe diktiert.“ Datenschutz? In öffentlichen Verkehrsmitteln kein Thema. Da fahren Privat- und Berufsleben offen mit. Und zwar lautstark.

„Wenn das Gespräch dringend ist, ist nichts dagegen einzuwenden, kurz zu telefonieren. Aber bitte leise“, sagt Klein. Die hochsensiblen Mikrofone in ihren Geräten ignorieren die Fahrgäste mit Handy am Ohr gekonnt. Nebengeräusche werden überbrüllt, steht ein Tunnel kurz bevor, wird die Stimme automatisch kräftiger.

Der Benimmexperte rät: „Hand halb vor den Mund legen. Das wirkt wie ein Verstärker.“ Oder noch besser: auflegen. „Ich rufe in fünf Minten zurück“ — den Satz hört man viel zu selten.

Eines gehöre sich allerdings auf keinen Fall, so Klein: „Den Störenfried ansprechen.“ Warum nicht? Ganz einfach: „Dann ist man nicht besser.“ Rücksicht heißt eben auch, sich das Privatleben der Mitmenschen anhören zu müssen.