Frühe „Euro Hawk“-Warnung könnte de Maizière weiter belasten
Berlin (dpa) - Im Drohnen-Untersuchungsausschuss ist ein neues Dokument aufgetaucht, das Verteidigungsminister Thomas de Maizière weiter in Bedrängnis bringt.
In der von der SPD vorgelegten E-Mail warnte der für Rüstung zuständige Abteilungsleiter Detlef Selhausen schon im Januar 2012 vor einer „dramatischen Kostenexplosion“ bei der Beschaffung der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ und riet von der Einleitung der serienmäßigen Beschaffung ab. Ob die Warnung den Minister erreichte, blieb aber zunächst unklar.
In der dritten Runde der Zeugenvernehmung warf der Bundesrechnungshof dem Ministerium zudem schwere Versäumnisse beim Drohnen-Projekt vor, die allerdings auch die Zeit vor dem Amtsantritt de Maizières betreffen. „Man war da etwas blauäugig“, sagte die zuständige Prüferin Angelika Bauch am Mittwoch im Ausschuss.
Der Minister sagt nächsten Mittwoch vor dem Gremium aus. Ungeachtet der Kritik und der anhaltenden Rücktrittsforderungen der Opposition bekräftigte er in der „Stuttgarter Zeitung“, dass er auch nach der Bundestagswahl im Amt bleiben wolle. Er habe in seiner politischen Laufbahn häufig sein Ministeramt wechseln müssen, oft ohne die Früchte der von ihm angestoßenen Reformen einsammeln zu können, sagte der CDU-Politiker der „Stuttgarter Zeitung“ (Mittwoch). „Ich habe so viel gesät - jetzt möchte ich mal ernten.“
Die SPD überraschte am Mittwoch während der Vernehmung Selhausens mit der Präsentation der E-Mail, die an das Büro des Staatssekretärs und engen Vertrauten de Maizières (CDU), Stéphane Beemelmans, ging. Der Betreff legt nahe, dass das Schreiben der Vor- oder Nachbereitung eines Gesprächs de Maizières mit dem Vorstandschef der EADS-Rüstungstochter Cassidian dienen sollte. Dort heißt es: „Gespräch BM mit CEO Cassidian am 19. Januar 2012“. BM steht für Bundesminister, CEO für Vorstandschef.
Selhausen wich in der Zeugenvernehmung vor dem Ausschuss der mehrfachen Nachfrage aus, ob er mit seinem Hinweis den Minister erreichen wollte. „Die Intention dieser E-Mail war, das Büro darauf aufmerksam zu machen, dass hier sich ein Thema abzeichnet, das möglicherweise sehr gravierend im Programm "Euro Hawk" sein“ könnte, sagte der Abteilungsleiter.
Als weitere Zeugin kritisierte die zuständige Rechnungsprüferin Bauch das Agieren des Verteidigungsministeriums bei der „Euro Hawk“-Beschaffung scharf. Bereits 2009 hätte das Ministerium das Milliardenprojekt neu bewerten und einen Abbruch erwägen müssen, sagte sie. De Maizière wurde im März 2011 Verteidigungsminister. Im Verlauf dieses Jahres wurden die Probleme laut Bauch durch die Schätzung der Mehrkosten für eine Zulassung auf bis zu 600 Millionen Euro noch offensichtlicher. „Letztendlich haben wir festgestellt, dass das Controlling nicht funktioniert hat“, sagte die Rechnungsprüferin. „Es gab überhaupt keine richtige fachliche Bewertung.“
Das Verteidigungsministerium hatte das bereits vor zwölf Jahren in die Wege geleitete Drohnen-Projekt im Mai 2013 wegen massiver Zulassungsprobleme und einer drohenden Kostenexplosion gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich laut Rechnungshof bereits vertragliche Verpflichtungen in Höhe von 668 Millionen Euro angesammelt.
Die Opposition sieht de Maizière eine Woche vor seiner Aussage für zusätzlich belastet. „Mit dem heutigen Tag ist die Liste der Fragen an den Minister länger geworden“, sagte der SPD-Obmann Rainer Arnold. Die Union hält de Maizière durch die dritte Runde der Zeugenvernehmungen dagegen für entlastet. „Der Bundesrechnungshof weist eindeutig darauf hin, dass die Verantwortung in einer sehr frühen Phase lag“, sagte Obmann Markus Grübel.
De Maizière selbst wollte sich bei einem Besuch in Strausberg nicht äußern. Er sei in der nächsten Woche Zeuge, dann stehe er für alle Fragen zur Verfügung, sagte er. Bis dahin finde er es nicht angemessen, über die Presse zu kommentieren, was im Untersuchungsausschuss stattfinde.