Wolfgang Clement: Er lässt sich das Sehen, Hören und Sagen nicht verbieten
Ausschlussverfahren: Die SPD-Spitze baut Brücken, aber der frühere Parteivize Wolfgang Clement will sie nicht betreten. Er zeigt sich – erwartungsgemäß – stur.
Berlin. Als wieder einmal provokante Interview-Äußerungen von Wolfgang Clement in einer SPD-Vorstandssitzung für Ärger sorgten, soll Parteichef Kurt Beck gesagt haben: "Ich mag ihn nicht schon wieder anrufen." Gestern standen für Clement ohnehin andere Themen auf der Tagesordnung. Der ehemalige Wirtschaftsminister war in seiner Funktion als Aufsichtsrat eines Unternehmens unterwegs, während die Genossen munter über einen möglichen Parteiausschluss diskutierten.
In einem Rundbrief an Parteifunktionäre mahnte Beck tapfer "Besonnenheit und Augenmaß" in der Diskussion an. Doch die Versöhnungsaufrufe verhallten einstweilen wirkungslos. Zum Missfallen des Parteichefs erklärt Clement seine innerparteiliche Zukunft zur Richtungsentscheidung der SPD. "Es ist eindeutig, dass es hier um eine Rolle rückwärts in der Wirtschafts-, der Sozial- und der Arbeitsmarktpolitik geht", sagt jener Minister im Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der maßgeblich für die umstrittenen Arbeitsmarktreformen verantwortlich war. "Es geht um den Kurs der SPD", glaubt Clement. Beck dagegen nennt eine solche Einschätzung "abwegig und absurd".
In der heißen Phase des hessischen Landtagswahlkampfs hatte Clement die Energiepolitik der SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti kritisiert und indirekt dazu aufgerufen, nicht die SPD zu wählen. Dass dies nun der Grund für seinen Rausschmiss aus der Partei sein soll, hält Clement für skandalös: "Ich hätte nie für möglich gehalten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Partei von Willy Brandt so gering geschätzt wird." Er jedenfalls wolle sich auch in Zukunft nicht den Mund verbieten lassen. Deshalb lehnt er eine Erklärung des künftigen Verzichts auf "parteischädigende Äußerungen" ab. Dies wäre aus Sicht von Clement "ein Maulkorb".
Auch wegen solcher Äußerungen nennt Franz Maget, Chef der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, Clement einen "Sturschädel". Tatsächlich gilt Clement, der 1987 Johannes Raus Wahlkampfmanager im Bundestagswahlkampf war, als aufbrausend. Von Clement ist der Ausspruch übermittelt: "Herr, gib mir Geduld, aber gefälligst sofort." Noch heute macht unter Journalisten die Anekdote die Runde, der junge Clement habe in einem Anfall von Wut über seinen Fahrlehrer den Unterricht abgebrochen und nie einen neuen Anlauf zur Führerschein-Prüfung gemacht. Auch als Politiker ist Clement kaum einem Konflikt aus dem Weg gegangen. Man sagt, er sei keiner, der Türen leise ins Schloss fallen lasse.
Der Bochumer SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer hofft zwar auf einen Verbleib Clements in der Partei, erwartet aber ein Signal der Annäherung. "Von Clement hört man immer nur Ich, Ich, Ich. Man sollte auch wieder ein Wir hören", sagte Schäfer unserer Zeitung. "Clement lässt sich nur noch ganz schwer etwas sagen. Das ist das Problem."
Es gebe Bemühungen, das Gespräch mit Clement zu suchen, berichtet Schäfer. Auch Partei-Vize Peer Steinbrück könne dabei die Rolle übernehmen, Clement "gut zuzureden". Schäfer findet, Clement solle sich den Ausspruch von Papst Johannes XXIII. zu Herzen nehmen, der gesagt habe: "Nimm dich nicht so wichtig!"