Diplomat für ein Semester - MUN-Konferenzen als Sprungbrett
Göttingen (dpa/tmn) - Statt die Arbeit der Vereinten Nationen nur in den Medien zu verfolgen, können Studenten sie spielerisch selbst erleben. In Model-United-Nations-Konferenzen schlüpfen sie in die Rolle von Diplomaten.
Wer mitmacht, hat einen Hingucker im Lebenslauf.
Die Momente nach ihrem Vortrag wird Samira Meier wohl nicht so schnell vergessen. Die 23-jährige Studentin hielt die Eröffnungsrede der Göttingen Model-United-Nations-Konferenz (GöMUN). Sie hatte auf Englisch gesprochen, vor über hundert Zuhörern aus aller Welt, darunter Studenten, Professoren und sogar ein äthiopischer Prinz. Danach wurde sie von allen Seiten beglückwünscht. „Ich war so erleichtert, dass ich mich nicht verhaspelt habe. Es war unbeschreiblich!“, erzählt Meier. Sie war damals die Leiterin der Konferenz.
Model-United-Nations-Konferenzen - kurz: MUN-Konferenzen - wie die GöMUN sind Simulationen, bei denen Studenten die Arbeit der Vereinten Nationen nachstellen. Jeder Teilnehmer übernimmt die Rolle eines Landes und muss im Sinne der Nation, die er vertritt, fiktive Konflikte lösen. Die Konferenzen gibt es regelmäßig an vielen deutschen und ausländischen Universitäten. In der Regel bieten sie Studenteninitiativen an - häufig organisieren Professoren mit und veranstalten parallel Seminare, für die sie Credit Points vergeben.
„Auf einmal wird einem bewusst, wie komplex Diplomatie ist. Das kann man nicht aus Zeitungen oder Büchern lernen“, sagt Katharina Tolle. Sie ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN). Nebenbei verbessern viele ihre Soft Skills, weil sie etwa Organisationstalent und Teamfähigkeit schulen.
Yannick Stiller führte sein MUN-Engagement in das UN Hauptquartier nach New York. Der 21-jährige Politikstudent fuhr mit Kommilitonen über ein Programm der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) zur National MUN (NMUN). Eine Woche dauert die Konferenz in Manhattan mit rund 5000 Teilnehmern aus aller Welt.
Doch die Teilnahme ist nur einigen wenigen vorbehalten. Von rund 120 Bewerbern in München werden 20 genommen. Zum Auswahlverfahren gehören Tests zum Allgemeinwissen sowie selbst verfasste Essays und Reden. Wer durch das Verfahren kommt, darf zur Konferenz nach New York. Die Münchner Studenten vertraten dort zuletzt das Land Katar. Viele Universitäten bieten ihren Studenten ähnliche Programme.
Doch das MUN-Engagement ist zeitaufwendig. Als Samira Meier 2012 die GoeMUN leitete, musste sie ihre Klausuren in diesem Semester verschieben.
Häufig eint die Teilnehmer der Konferenzen ein gemeinsamer Berufswunsch: Diplomat. Voraussetzung für die Bewerbung bei der UN sei die Teilnahme an MUN-Konferenzen aber nicht, sagt Arne Molfenter, Sprecher der Vereinten Nationen in Bonn. Ehemalige hätten aber eine Idee davon, was es bedeutet, auf internationalem Parkett zu verhandeln. „Genau diese Leute suchen wir.“
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, Bewerber könnten durch die Teilnahme dokumentieren, dass sie sich für den Beruf eines Diplomaten interessieren. Maßgeblich seien beim Auswahlverfahren zum höheren Dienst aber viele Faktoren - allen voran die Auswahltests.
Davon, nur aus Karrieregründen bei MUN-Konferenzen mitzumachen, hält Tolle von der DGVN nichts: „So viele Menschen, wie an den Konferenzen teilnehmen, kann die UN gar nicht einstellen“, scherzt sie.
Für Stiller stand in New York der Spaß im Vordergrund: „Was wir machen, ist ziemlich speziell - ein ganz eigener Kosmos. Wer das nur für den Lebenslauf macht, wird keine Freude daran haben.“