Job mit Perspektive: AKW-Rückbau braucht Fachleute
Karlsruhe (dpa) - Dem geplanten Atomausstieg folgt der Rückbau der Meiler. Doch gibt es genug Fachkräfte für den anstehenden Rückbau-„Boom“? Reaktorexperten sind geteilter Meinung.
Zu Beginn der Atom-Ära wurden Ingenieure gesucht, die beim Aufbau der damals neuartigen Kraftwerke halfen - nun gibt es neuen Experten-Bedarf: Diesmal werden Leute gebraucht, die dafür sorgen, dass die Meiler in Zukunft wieder von der Bildfläche verschwinden. Doch ob es genug Fachkräfte gibt, ist umstritten.
Prof. Sascha Gentes vom Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sieht momentan noch keinen Mangel an Fachkräften. In Zukunft könne sich das jedoch ändern - zumindest was die ausführenden Firmen angeht. Dem Bauingenieur zufolge suchen viele der in den Rückbau involvierten Firmen schon jetzt nach Mitarbeitern. „Jemand, der in dem Bereich tätig ist, ist garantiert nicht arbeitslos und wird auch gut bezahlt“, sagt Gentes KIT-Kollege Joachim Knebel. Gebraucht werden vorwiegend Bauingenieure, Verfahrenstechniker und Strahlenschutzingenieure.
„Man wird nicht 1000 oder 2000 neue Arbeitsplätze schaffen können“, erläutert Gentes, der am KIT eine Professur für den Rückbau von Kernkraftwerken hat. Zumal schon viel Personal da sei: „Die Anlagenbetreiber haben ihre Mitarbeiter vor Ort.“ Und die sind auch unabdingbar. „Man braucht Leute, die die Anlage in- und auswendig kennen“, sagt Prof. Hans-Josef Allelein, der Leiter des Lehrstuhls für Reaktorsicherheit und -technik der Universität Aachen. Allelein geht davon aus, dass es ausreichend solcher Fachleute gibt.
Beim Rückbau der Meiler wird der Zustand der „Grünen Wiese“ angestrebt. Dazu gehört, dass die Anlage komplett beseitigt wird und der ursprüngliche, natürliche Zustands des Geländes wiederhergestellt wird. Bei drei deutschen Meilern ist dies laut Atomforum bereits geschehen: dem Kernkraftwerk Niederaichbach, dem Heißdampfreaktor Großwelzheim und dem Versuchsatomkraftwerk Kahl - alle Kraftwerke liegen in Bayern.
Zahlreiche weitere Anlagen im ganzen Bundesgebiet werden derzeit demontiert. Dazu gehört auch das 2005 vom Netz genommene Kraftwerk Obrigheim in Baden-Württemberg, das dem Energieriesen EnBW gehört. Derzeit sei es kein Problem, genug Fachkräfte für den Rückbau zu finden, sagt EnBW-Sprecher Ulrich Schröder. Fragen dazu, ob es in Zukunft zu Engpässen kommen könnte, seien rein spekulativ.
Der Rückbau eines AKW ist teuer und langwierig. EnBW-Sprecher Schröder zufolge wird die Anlage in Obrigheim, deren Rückbau 2008 begann, wohl 2018 bis 2020 abgerissen sein. Die Kosten würden auf einen „mittleren dreistelligen Millionenbereich“ geschätzt.
Bei dem Abwracken eines alten Meilers sind die Aufgaben relativ klar verteilt: Die Betreiber koordinieren vor allem den Ablauf des Rückbaus. Für spezielle Abbau-Arbeiten werden Fachfirmen hinzugeholt. Sie helfen etwa bei der Dekontaminierung oder beim Abriss der Betonhülle. Auf dem AKW-Gelände Obrigheim seien zur Zeit rund 180 EnBW-Mitarbeiter und weitere 145 Mitarbeiter aus Fremdfirmen vor Ort, so Schröder.
Außerdem mit im Boot ist die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS). „Es gibt kein Unternehmen in Deutschland, das den Rückbau komplett zur Grünen Wiese macht“, erläutert GNS-Sprecher Michael Köbl. Die GNS ist für die gesamte Entsorgung der radioaktiven Abfälle zuständig, die beim Betrieb und dem Rückbau der Meiler anfallen. Unter den rund 600 Mitarbeitern der Gesellschaft sind Köbl zufolge vor allem Ingenieure und Naturwissenschaftler. „Wir erwarten durch die aktuelle politische Lage keine großen personellen Veränderungen.“