Pauken in Portionen: Aufschieberitis überlisten
Münster (dpa/tmn) - Eine Krankheit grassiert unter vielen Studenten: die „Aufschieberitis“. Sie führt dazu, dass man sich einfach nicht zum Lernen aufraffen kann. Dahinter stecken oft verdrängte Probleme.
Ein paar Tricks können helfen, die Krankheit zu überwinden.
Viele Studenten dürften das kennen: Statt zu lernen, spülen sie lieber Geschirr ab, schreiben E-Mails, surfen auf Facebook herum. Kurz vor dem Klausurtermin setzt dann die Panik ein. Prokrastination heißt dieses Phänomen. Dagegen hilft es, in kleinen Schritten vorzugehen. Denn mit einer Salamitaktik lässt sich der innere Schweinehund am besten überlisten.
Chronisches Aufschieben kann der Studienkarriere extrem schaden: Abgabetermine werden versäumt, oder der Bücherberg wächst, bis er nicht mehr zu bewältigen ist. Die Folge: Studenten haben ständig ein schlechtes Gewissen und sind unzufrieden mit sich selbst. „Daraus kann sich eine Depression entwickeln“, sagt Prof. Fred Rist von der Uni Münster. Der Psychologe hat 2009 eine Spezialambulanz für Prokrastinationsfälle eingerichtet. Dort lernen Studenten, sich realistische Ziele zu stecken, pünktlich anzufangen und ihre Arbeitszeit effizient zu nutzen.
„Viele Menschen haben tiefer sitzende Probleme, die zu einem Aufschieben führen“, sagt Hans-Werner Rückert, der die psychologische Beratungsstelle für Studenten an der FU Berlin leitet. Das könne eine verkappte Depression sein, übertriebener Perfektionismus oder Angst vor der Beurteilung durch andere. Kleine Tricks können aber helfen, das Problem besser in den Griff zu bekommen. Hier ist eine Übersicht:
Motivieren: Der Gedanke „Ich muss lernen“ hilft nicht weiter. Denn ein Mensch tut nur dann etwas, wenn es zu 70 Prozent mit positiven Gefühlen verbunden ist, erklärt Rückert. Studenten sollten sich lieber „Ich will lernen“ sagen und sich vor Augen halten, was ihre Gründe dafür sind. Außerdem dürfen Studenten nicht zu viel von sich verlangen. „Man sollte nicht an jedem Tag 100 Prozent Leistung von sich erwarten“, sagt der Studentencoach Martin Krengel aus Berlin. „Auch 20 Prozent Fortschritt sind besser als nichts.“
Planen: Der Berg an Arbeit ist einfach zu groß? Dann heißt es, ihn in Etappen zu überwinden. Dazu sollten Studenten eine Aufgabe in kleine Schritte zerlegen, empfiehlt Rückert. Diese schreiben sie sich am besten auf. Oder sie malen sie auf große Bögen Packpapier und hängen diese an die Wand. So kann man immer wieder an den Plan herantreten und einen Schritt abhaken.
Abschirmen: Während der Lernzeit stellen Studenten ihr Handy am besten auf lautlos, rät Martin Krengel. Sinnvoll sei es, auch den WLAN-Empfang des Laptops zum Surfen im Internet abzuschalten und sich in die hinterste Ecke der Bibliothek zu verkriechen. Denn: „Jede kleine Störung kann einen komplexen Gedankengang abreißen lassen.“
Begrenzen: Oft nimmt man sich vor, acht oder neun Stunden zu arbeiten - schafft dann aber doch nur eine. Wem es so geht, der sollte seine Arbeitszeit von Anfang an auf diese eine Stunde begrenzen, empfiehlt Prof. Rist. Erst wenn er es schafft, diese Stunde effektiv zu nutzen, darf er die Arbeitszeit in den nächsten Tagen erhöhen - jedes Mal maximal um 20 Prozent. So entsteht das Gefühl, dass Arbeitszeit etwas Kostbares ist, das man nutzen möchte.
Austricksen: Wer sich partout nicht zum Lernen aufraffen kann, sollte sich nur zehn Minuten Arbeitszeit vornehmen - mit der Option, danach aufhören zu dürfen. „Meistens arbeitet man dann doch länger, weil die erste Hemmschwelle überwunden ist“, sagt Krengel.
Literatur:
Rückert, Hans-Werner: Schluss mit dem ewigen Aufschieben: Wie Sie umsetzen, was Sie sich vornehmen, Campus, 302 S., 18,90 Euro, ISBN-13: 978-3593393513