Entspannung aus der Dose

Erst waren Energy-Drinks in Mode, jetzt sind in den USA sogenannte Anti-Stress-Drinks auf dem Vormarsch.

Düsseldorf. Mach’ doch mal locker. Immer mehr Arbeitnehmer nutzen Aufputschmittel oder Energydrinks, um am Arbeitsplatz dem Leistungsdruck standzuhalten. So war es zumindest in vielen Meldungen der vergangenen Monate zu lesen. Als Paradebeispiel wurde gerne der gestresste Wall-Street-Banker genannt, der gerade in der Krise ständig unter Strom stand.

Doch ausgerechnet dort, wo früher Red Bull aus Ein-Liter-Dosen getrunken wurde, macht sich jetzt ein ganz neuer Trend breit: Der Urlaub aus der Dose. Sogenannte Entspannungsgetränke erobern den Markt in den USA und Kanada. Bald soll es sie auch in Europa geben.

Ob sich die neuen Lebensmittel auch hier durchsetzen, kann die Trendforscherin Jeanette Huber von der Internationalen Gesellschaft für Zukunfts- und Trendberatung nicht endgültig sagen, aber: "Die Energy Drinks haben ihren Markt, vom Adrenalin-Macho bis zum Power-Sportler, die Entspannungsdrinks bedienen die gestresste Millennium-Mutter und die Powerfrau, die endlich runterkommen will."

Und genau das versprechen die Hersteller. Eine kanadische Firma versinnbildlicht die Strategie mit dem Namen ihres Produktes: Slow Cow - langsame Kuh. Quasi als Gegenmittel zu Red Bull.

Die Relax-Limonade will dem Genießer mit Wirkstoffen wie Kamille und Baldrian ein Gefühl von Urlaub vermitteln, den Puls runterschrauben. Die Aminosäure L-Theanin soll dafür sorgen, dass die geistige Leistungsfähigkeit trotzdem nicht sinkt. Andere Drinks wie Malava Relax setzen auf die Extrakte der Kava-Pflanze, auch Rauschpfeffer genannt.

So exotisch die neuen Getränke klingen, ganz neu ist der Hang zur entspannenden Flüssigkeitsaufnahme in Deutschland nicht. In jedem Supermarkt finden sich immer mehr mit Tee-Extrakten, Aloe Vera oder sonstigen Aromen angereicherte Wasser mit so wohltuenden Beinamen wie Vital, Balance oder Wellness.

"Mit der mentalen Verfassung in der Krise blicken immer mehr Menschen auf ihre Konsumentscheidungen. Nachdenklichkeit und Entschleunigung passen genau zu dieser Stimmungslage", sagt Trendforscherin Jeanette Huber.

Ob sich hinter den neuen Produkten mehr verbirgt als eine gelungene Marketingstrategie bezweifelt die Ernährungsberaterin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): "Die Mengen der beigesetzten Stoffe reichen kaum aus, um eine feststellbare Wirkung zu erreichen. Es geht mehr um das Gefühl, sich etwas Gutes zu tun." Restemeyer rät dazu, sich den Zuckergehalt der Getränke genau anzuschauen, denn oft verbirgt sich hinter einem Wellness-Drink eine Kalorienbombe.

Wäre es also nicht einfacher, gesünder und billiger, einen Kamillentee zu trinken? "Die geschmackliche Faszination von Kamillentee ist begrenzt", sagt Huber. "Vielen Menschen reicht die Eigenschaft gesund nicht mehr. Es muss eben auch schmecken."

Ernährungsberaterin Restemeyer sieht den Kamillentee klar vorne, aber: "Manchen hilft vielleicht der psychologische Effekt, dass ein teures Produkt mehr nutzt als ein billiges." Und beim Preis schlagen die Anti-Stress-Drinks den Kamillentee mit zwei bis sechs Dollar (1,40 bis 4, 20 Euro) pro 0,2 Liter-Dose um Längen.