Experten-Interview: Flugangst in den Griff kriegen

Experte Marc-Roman Trautmann erklärt, wie man die Nervosität in den Griff bekommt.

Düsseldorf. Die weltweit erste Beratungsstelle für Menschen mit Flugangst wurde 2006 am Düsseldorfer Flughafen eingerichtet. Ein Team aus Psychologen und Verkehrspiloten hilft den Betroffenen hier, ihre Angst vor dem Fliegen zu überwinden. Zu ihnen gehört auch der Diplom-Psychologe Marc-Roman Trautmann (40).

WZ: Herr Trautmann, der Altersschwerpunkt der Reisenden, die zu ihnen kommen, liegt zwischen 25 und 50 Jahren. Was steckt hinter den Ängsten der Betroffenen?

Trautmann: Flugangst hat ganz unterschiedliche Ursachen. Grundsätzlich unterscheiden wir drei Gruppen: Die kleinste Gruppe ist noch nie geflogen und hat Angst vor dem ersten Mal, dem Unbekannten. Eine weitere Gruppe hat schon einmal ein subjektives Negativerlebnis an Bord gehabt, beispielsweise Turbulenzen. Die größte Gruppe beschreibt eine diffuse Angst und kann keine eindeutige Ursache festmachen. Hierbei finden sich übrigens viele Betroffene, die auch an anderen Ängsten leiden oder schon einmal eine Therapie aufgrund einer generalisierten Angststörung gemacht haben oder machen. Wichtig ist also, Menschen mit Flugangst eine individuelle Hilfe, abgestimmt auf die jeweilige Angstgeschichte, anzubieten.

WZ: Wie viele Menschen leiden unter Flugangst?

Trautmann: Eine Untersuchung des Instituts Allensbach hat gezeigt, dass jeder fünfte Fluggast mit einem Unwohlsein fliegt, ungefähr jeder Dritte hat deutliche Angstsymptome bis hin zu Panikattacken. Flugangst ist also weit verbreitet, allerdings in unterschiedlich starkem Ausmaß. Es gibt auch Kinder, die mit Angst fliegen. Hier wurde die Flugangst meist von den Eltern oder einem Elternteil übertragen.

WZ: Wie helfen Sie den Reisenden, entspannt ins Flugzeug zu steigen?

Trautmann: Man kann durch Beratungen auch kurzfristig Grundlagen für einen entspannteren Flug schaffen und einfache Ängste, die meist auf fehlendem Hintergrundwissen basieren, nehmen. Ferner ist es möglich, Betroffenen einen ersten Schritt hin zu einer Hilfe zu ermöglichen. Denn Menschen mit Flugangst fühlen sich in vielen Fällen unverstanden, wissen nicht, wie mit dem Problem umzugehen ist. Ein Gespräch kann diese Zweifel nehmen. Weiterhin kann man mit Betroffenen gemeinsam überlegen, welche nachhaltige Hilfe, die richtige ist.

WZ: Stellen Sie sich folgende Situation vor: Der Passagier neben mir im Flieger ist verkrampft, zittert und hat Angstschweiß auf der Stirn. Wie muss ich mich verhalten?

Trautmann: Jeder sollte seine Umgebung im Flugzeug beobachten und den Mut haben, jemanden frühzeitig anzusprechen, der Angstsymptome zeigt oder sich unwohl fühlt. Ablenkung steht an erster Stelle. Das Gespräch sollte sich auf keinen Fall um das Fliegen selbst oder die Angst drehen. Sätze wie "Sie brauchen keine Angst zu haben" verfehlen ihr Ziel.

WZ: Viele Betroffene haben Angst vor einem Absturz, andere fühlen sich ausgeliefert. Wie gehen Sie als Psychologe an die Ängste heran?

Trautmann: Beim Absturz stehen technische Zweifel und das fehlende Vertrauen in das Verkehrsmittel Flugzeug im Mittelpunkt. Daher geht es um sachliche Informationen und Hintergrundwissen, das Herunterbrechen irrealer Gedanken hin zu realem Faktenwissen. Beim Gefühl des Ausgeliefertseins fehlt das Vertrauen in sich selbst. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen hier das Verständnis körpereigener Abläufe, die enge Verbindung von Angst und Stress, Atemübungen und Entspannungstechniken.

WZ: Wann ist eine Therapie Ihrer Meinung nach sinnvoll?

Trautmann: Sobald Flugangst auf private beziehungsweise berufliche Entscheidungen Einfluss nimmt, sollten Betroffene professionelle Hilfe suchen. Das geht beispielsweise in Beratungen, Seminaren oder - falls Flugangst nur Teil einer generalisierten Angststörung ist - mit einer Therapie.

WZ: Eine Reise sollte möglichst entspannt vonstatten gehen. Welche Tipps können Sie mit auf den Weg geben?

Trautmann: Die Hilfe zur Selbsthilfe sollte bereits vor dem Flug beginnen. Unsere Tipps: Möglichst stressfrei die Flugreise beginnen, rechtzeitig am Flughafen sein, vielleicht den Vorabend-Check-In oder den Web-Check-In über das Internet nutzen. Lieblingsplätze vorher reservieren. Die Zeit an Bord planen, das heißt, überlegen, wie man den Aufenthalt für sich angenehm und sinnvoll nutzen kann. Neben Musik sind Hörbücher eine wunderbare Ablenkung, denn hier taucht man nicht nur akustisch, sondern auch gedanklich ab. Beim Einsteigen sollte man der Crew mitteilen, dass man Angst hat, und fragen, ob es möglich ist, vor dem Flug kurz mit den Piloten zu sprechen. Auch das gibt neue Sicherheit. Einfache Atemübungen wie das Seufzen helfen, die Anspannung im Brustbereich zu verlieren.