Gewinner und Verlierer der Mini-Inflation
Frankfurt/Main (dpa) - Die Verbraucherpreise in Deutschland steigen so langsam wie seit fünf Jahren nicht mehr. Experten sind sich einig: Mit einem rasanten Anstieg der Inflation ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen.
Doch wem bringt das was?
Der Ölpreis ist im Sinkflug, Verbraucher können Sprit und Heizöl deutlich günstiger kaufen als vor einem Jahr. Das hat die Inflation in Deutschland im Dezember auf 0,2 Prozent gedrückt - und damit auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2009. Im Euroraum fielen die Verbraucherpreise auf Jahressicht sogar. Ist das gut oder schlecht?
Pro:
Kaufkraft der Verbraucher:Wer längerfristig gleichbleibende Einkommen wie Tarifgehälter, Renten oder Sozialleistungen bezieht, kann sich mehr für sein Geld leisten, wenn Preise kaum noch oder gar nicht mehr steigen. Das gilt auch für Menschen, die viel Geld auf der hohen Kante haben. Gleichzeitig bleibt bei Einkommens- und Lohnerhöhungen real - also nach Abzug der Teuerung - deutlich mehr Geld in den Taschen der Verbraucher, wenn die Inflation wie derzeit nahe null ist.
Unternehmen: Wenn die Verbraucher mehr Geld zur Verfügung haben, etwa weil die Sprit- und Heizölpreise fallen, können sie sich mehr andere Waren leisten. Gleichzeitig profitieren Unternehmen von niedrigeren Einkaufspreisen wichtiger Rohstoffe wie Öl: Ihre Kosten sinken.
Kreditaufnahme: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Kampf gegen den mickrigen Preisauftrieb auf fast null Prozent gesenkt. Das drückt die Zinsen, die Banken von Privatleuten und Unternehmen für Kredite verlangen. So kommen etwa Immobilienkäufer derzeit so günstig wie nie an Geld. Nach Zahlen der FMH Finanzberatung sind Hypotheken mit zehn Jahren Laufzeit aktuell im Schnitt für 1,6 Prozent Zinsen zu haben. Vor einem Jahr lag das Niveau demnach noch bei 2,67 Prozent, vor fünf Jahren bei 4,19 Prozent. Auch Staaten können sich am Markt günstiger frisches Geld besorgen, das entlastet indirekt die Steuerzahler.
Konjunktur: Vor allem die rasante Talfahrt der Ölpreise schiebt die deutsche Wirtschaft an. Nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) werden Unternehmen und Verbraucher in diesem Jahr um 20 Milliarden Euro entlastet, wenn die Preise auf dem aktuellen Niveau verharren. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat betont: „Diese Entwicklung wirkt ähnlich wie ein kleines Konjunkturprogramm.“
Kontra:
Sparer: Verbraucher sind nicht nur Kreditnehmer, sondern auch Sparer. Durch das magere Zinsniveau ist mit Tagesgeld oder Sparkonto fast nichts mehr zu verdienen. Immerhin: Weil die Preise kaum steigen, unterscheiden sich nominale Renditen kaum noch von den realen. Wer fürs Alter vorsorgen will, muss entweder mehr Geld zurücklegen oder größere Risiken eingehen.
Schuldner:Was für die Kreditaufnahme gut ist, ist für ältere Verbindlichkeiten schlecht. Derzeit knabbert die Inflation die ausstehenden Schulden nämlich nicht weg. Das erschwert den Schuldenabbau und hemmt die wirtschaftliche Erholung, wie EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio betont: „Wenn die Inflation sehr niedrig ist und das Wachstum ebenfalls, dann wird es immer schwieriger, diese Schulden zu bedienen.“
Deflationsgefahr:Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent. Davon abrücken will die Notenbank nicht, wie Constâncio sagte: „Bei einem Inflationsziel von 0 Prozent ist die Gefahr hoch, dass die Wirtschaft in eine Deflation rutscht.“ Unter einer Deflation verstehen Ökonomen einen Teufelskreis aus sinkenden Preisen, steigenden Reallöhnen, niedrigeren Gewinnen und schrumpfender Nachfrage, weil Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen und Investitionen aufschieben. Denn es könnte ja bald noch billiger werden. Die geringe Nachfrage kann weitere Preissenkungen zur Folge haben: Die Wirtschaft friert ein.