Forscher suchen bessere Therapien gegen Leukämie
Tübingen (dpa) - Leukämie ist längst kein Todesurteil mehr. Jedem zweiten Patienten können die Ärzte heute das Leben retten - aber für die andere Hälfte gibt es noch keine echte Hilfe. Forscher hoffen, dass Fortschritte bei Knochenmark-Transplantationen das bald ändern.
In den 20 Jahren seit der Gründung der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) haben sich die Überlebenschancen für Leukämie-Patienten deutlich verbessert. Vor allem Fortschritte bei der lebensrettenden Stammzell- und Knochenmark-Transplantation hätten dazu beigetragen, sagte Leukämie-Experte Gerhard Ehninger. Während 1991 höchstens ein Zehntel der Patienten geheilt wurde, seien es heute schon 50 Prozent.
„Wir haben heute viel mehr Spender, und wir haben eine ausgefeilte Technik, um einen Patienten mit dem passenden Spender zusammenzubringen“, sagte Ehninger. Der Professor an der Uniklinik Dresden ist einer der Mitbegründer der DKMS mit Sitz in Tübingen. Die Organisation feiert an diesem Samstag (28. Mai) ihr 20-jähriges Bestehen. Ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen der Leukämie-Forschung:
Die Typisierung: Bei der DKMS sind heute mehr als 2,4 Millionen Menschen registriert, die zu einer Stammzell- oder Knochenmarkspende bereit wären. „Vor 20 Jahren waren es in ganz Deutschland 6000.“ Ohne Fortschritte bei der Typisierung, also der Analyse der wichtigsten Gewebemerkmale, wäre diese Entwicklung gar nicht möglich gewesen. In den Anfängen der DKMS wurden in einem langwierigen Verfahren nach und nach die Gewebemerkmale analysiert. „Dadurch hat es mehrere Monate gedauert, bis ein passender Spender gefunden war. Für viele Patienten war es dann zu spät“, erzählte Ehninger. „Heute können wir bei einer hochauflösenden Typisierung sofort alle wichtigen Gewebemerkmale untersuchen.“ Damit lasse sich in kürzester Zeit der beste Spender für einen Patienten finden.
Außerdem muss potenziellen Spendern kein Blut mehr abgenommen werden. Man kann sich von der DKMS zwei Wattestäbchen per Post nach Hause schicken lassen, damit einen Abstrich an der Wange machen, und das Stäbchen zurückschicken. Dadurch steige die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich als Spender registrieren zu lassen, sagte Ehninger.
Die Knochenmarkspende: Vor 20 Jahren musste den Spendern unter Vollnarkose das lebensrettende Knochenmark aus dem Becken entnommen werden. Der Eingriff war nicht ohne Risiko. „Heute arbeiten wir in 80 Prozent der Fälle mit Blutstammzellen.“ Der Spender muss fünf Tage lang ein Wachstumshormon einnehmen, dann werden die Stammzellen ähnlich wie bei einer Blutwäsche aus der Vene entnommen. „Das Risiko ist dabei sehr gering“, betonte der Professor. Das nächste Ziel sei, die Nebenwirkungen das Wachstumsmittels zu reduzieren.
Die Transplantation: Es ist der lebensrettende Eingriff für die Leukämie-Patienten. Nach einer Chemotherapie bekommen sie die gespendeten Stammzellen in die Vene geleitet. Vor 20 Jahren überlebten knapp 40 Prozent die Transplantation nicht. „Heute liegt die Sterblichkeit nur noch zwischen 10 und 20 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass wir heute sicherstellen können, dass Gewebemerkmale von Spender und Patient auch wirklich übereinstimmen“, sagte Ehninger. Gleichzeitig komme eine Transplantation heute selbst für 70-Jährige noch infrage, früher war bei 40 Jahren Schluss.
Neue Methoden: Im Moment arbeiten die Experten an neuen Methoden, um auch Patienten helfen zu können, für die es bislang keinen passenden Spender gibt. Große Hoffnungen setzen die Forscher dabei auf Nabelschnurblut: „Das hat einen hohen Stellenwert, denn Nabelschnurblut kann auch bei einer Gewebeunverträglichkeit transplantiert werden“, sagte Ehninger.