Gesund sein und bleiben: So gelingt es

Dresden (dpa/tmn) - Krank sein und sich gesund fühlen: Das ist kein Widerspruch. Wer immer wieder versucht, herauszufinden, was ihm gut tut, wird sich auch in schwierigen Zeiten einigermaßen gut fühlen.

Dazu gehört, mal „nein“ zu sagen, wenn einem alles zu viel wird.

Gesundheit ist nicht allein die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit ist mehr als nur eine körperliche Sache. Das hat die Weltgesundheitsorganisation schon 1946 in ihren Statuten festgehalten. Dort heißt es, Gesundheit sei ein „Zustand des umfassenden körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“. Doch wie entsteht Gesundheit? Was ist Wohlbefinden? Und steht Krankheit dem immer im Wege?

„Krankheit und Gesundheit sind nicht zwei gegensätzliche Pole, sondern zwei Dimensionen“, sagt Prof. Joachim Kugler vom Lehrstuhl Gesundheitswissenschaften/Public Health an der Technischen Universität Dresden. „Ich kann körperlich krank sein, mich aber sehr gesund fühlen.“ Als Beispiel nennt er den Schriftsteller Thomas Bernhard, der zu künstlerischer Höchstform aufgelaufen sei, nachdem er die Diagnose, dass er an Sarkoidose erkrankt sei, zunächst als existenzielle Bedrohung empfunden habe. Umgekehrt gebe es Menschen, denen organisch nichts fehlt, die sich aber als nicht gesund definieren - Hypochonder etwa.

Also alles eine Frage der Einstellung? Im Prinzip ja, sagt der Mediziner und Buchautor Theodor Dierk Petzold aus Bad Gandersheim in Niedersachsen. Gesundheit entstehe, wenn ein Mensch nach Stimmigkeit in seinem Leben strebe. Dazu gehört für ihn die Fähigkeit, aus Fehlern lernen zu können und nach Dingen zu fahnden, die einem gut tun - seien es Sonne und Wärme oder Menschen, mit denen man sich gut versteht. Allerdings greife der weit verbreitete Ansatz des „Positiven Denkens“ dabei zu kurz. „Probleme, Gefahren, Unstimmigkeiten sollte man durchaus ernst nehmen, lösen und nicht schön reden wie beim 'Positiven Denken'“, betont Petzold. Dann sei Gesundheit sogar ansteckend.

Dass an dieser Einschätzung etwas dran sein könnte, zeigt eine Studie der Krankenkasse Barmer GEK und des an der Universität Wuppertal angesiedelten Kompetenzzentrums für Gesundheitsmanagement und Public Health. Die Forscher haben unter anderem untersucht, welche Bedeutung „Gesundheitskompetenz“ für das Wohlbefinden und die Gesundheit hat. „Kompetenz haben“ bedeutet in diesem Zusammenhang: fähig sein, ungewöhnliche Herausforderungen oder Belastungen, zum Beispiel Krankheiten, bewältigen zu können.

Eine hohe individuelle Gesundheitskompetenz beeinflusse die Gesundheit sehr positiv, heißt es in der Studie. Gesundheitswissen, der allgemeine Gesundheitszustand sowie der Gesundheitszustand im Vergleich zu anderen seien bei hoher Gesundheitskompetenz deutlich besser als bei Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz. „Je häufiger Menschen die Erfahrung machen, dass sie Krankheiten erfolgreich bewältigen können, desto mehr sind sie motiviert, auch Zeit für gesundheitsbezogene Aktivitäten zu investieren“, schreiben die Autoren. Umgekehrt gelte: Wer eine geringe Gesundheitskompetenz hat, bei dem überwiegen im Alltag negative Befindlichkeiten die positiven Gefühle.

„Menschen sollten stärker dazu ermutigt werden, herauszufinden, wie und warum sie gesund bleiben“, schlussfolgern die Forscher unter anderem. Das ist in Petzolds Sinne: „Die wissenschaftliche Medizin befasst sich heute vor allem mit der Entstehung von Krankheiten. Sie hat nicht mehr die subjektive Geschichte des Menschen, sein Wohlbefinden im Blick“, kritisiert der Autor, der das „Praxisbuch Salutogenese“ verfasst hat. Das lateinische Wort „salus“ bedeutet Gesundheit, das griechische „genesis“ Entstehung.

Der Begriff geht zurück auf den amerikanischen Forscher Aaron Antonovsky. Er hatte in den 70ern herausgefunden, dass viele Frauen, die Konzentrationslager der Nationalsozialisten überlebt hatten, trotz dieser traumatischen Erfahrung in ihrem späteren Leben offensichtlich gesund waren. Antonovsky nannte es „sense of coherence“ - ein Kohärenzgefühl, das diesen Frauen geholfen habe, die Schrecken der Nazi-Herrschaft zu überstehen.

Kugler umschreibt dies als „Gefühl, der Regisseur im eigenen Leben zu sein“, wenn jemand trotz eines Traumas oder einer fatalen Diagnose seine Gesundheit bewahren kann. Petzold zufolge könnte man Antonovskys Begriff auch als Urvertrauen bezeichnen, er selbst spricht aber lieber von stimmiger Verbundenheit. Um diese zu erreichen, sollte man sich selbst zum Beispiel oft genug fragen: Was tut mir gut? Welche Stärken habe ich?

Wer sich auf solche Fragen besinnt, tut viel für seine Gesundheit - er gewinnt Gesundheitskompetenz. Für Kugler gehört dazu auch, in manchen Situation „nein!“ sagen zu können, sich von Botschaften freizumachen, die zum Beispiel die Lebensmittelwerbung suggeriert, und auf ein stabiles Netzwerk guter Freunde zurückgreifen zu können. Und das nicht nur in Notfällen, sondern auch im Alltag.

Literatur:

Petzold, Theodor Dierk: Praxisbuch Salutogenese. Warum Gesundheit ansteckend ist, Südwest, 208 S., 17,99 Euro, ISBN-13: 978-3-517-08637-8