„Maggi muss hinein“ - Maggi-Schöpfer starb vor 100 Jahren
Zürich/Singen (dpa) - Schon vor über 125 Jahren lernten die Deutschen eine Würztunke kennen, die bis heute weltweit Kultstatus hat. Ihr Schöpfer, Julius Maggi, war ein Unternehmer mit sozialer Verantwortung.
In aller Herren Länder begegnet man seinem Vermächtnis. In Imbissbuden und Gaststätten, in afrikanischen Dorfläden und US-Supermärkten. Dass sein berühmter Nachname außer in Italien und im Tessin fast nie richtig ausgesprochen wird, kann den Erfinder der bekannten Flüssigwürze schon lange nicht mehr stören: Julius Maggi starb vor 100 Jahren - am 19. Oktober 1912 in Küsnacht am Zürichsee.
In Zeiten anspruchsvoller TV-Kochshows rümpft zwar mancher die Nase über Maggi-Würze. Dennoch ist die Kreation des Sohnes eines aus Italien in die Schweiz eingewanderten Mühlenbetreibers ungebrochen populär: 19 Millionen der dunkelbraunen Fläschchen mit dem gelb-roten Etikett werden jährlich allein in Deutschland verkauft. Entworfen hatte den Design-Klassiker, den der Künstler Joseph Beuys gar ins Zentrum einer Installation stellte, der Würzsaucen-Magier selbst.
Pro Jahr rund 11 000 Tonnen der braunen Tinktur werden im Stammwerk im deutschen Singen gebraut, wobei die Rezeptur für das rein pflanzliche Produkt immer noch weitgehend geheim gehalten wird. Dass aus dem Dorf am Berg Hohentwiel eine florierende Stadt wurde, hat viel mit dem unternehmerischen Geschick Maggis zu tun - aber auch mit den Zollbestimmungen im damaligen Großherzogtum Baden.
Die sahen für die Einfuhr von Würze in Kanistern erheblich weniger Gebühren als für verkaufsfertig abgefüllte Flaschenware vor. Hinzu kam, dass Singen am Gleisnetz der deutschen Eisenbahn lag. Das erleichterte den Weitertransport in alle Teile des wichtigen, weil im Vergleich zur Schweiz vielfach größeren deutschen Marktes.
1887 - vor rund 125 Jahren - begann in Singen die Abfüllung der in Maggis Mühlenbetrieb im schweizerischen Kempttal bei Winterthur hergestellten Sauce in die kleinen Flaschen. Anfangs hieß sie „Bouillon Extract“, bald „Maggi's Suppenwürze“. Dass sich damit selbst fadeste Gerichte zu einer gewissen Herzhaftigkeit aufpeppen lassen würden, fanden auch immer mehr deutsche Hausfrauen bestätigt.
Bald wurde die gesamte Herstellung nach Singen verlegt. Heute werden dort etliche Erzeugnisse aus der Maggi-Pallette hergestellt. „Aber für den Brauprozess der guten alten Würzsauce haben wir weiterhin eine eigenständige Produktionsstätte“, berichtet Wilfried Trah, der Leiter des zum weltgrößten Lebensmittelkonzern Nestlé gehörenden Werkes. Ihn und seine rund 900 Mitarbeiter nennt man in Singen „die Maggianer“.
Mit der Firmengeschichte - so Trah bei einem Rundgang durch das werkseigene Julius-Maggi-Museum - verbinde sich weit mehr als Tütensuppe und Würztunke. „Maggi war nicht allein Pionier der industriellen Lebensmittelherstellung, sondern auch ein Unternehmer, der soziale Verantwortung übernahm“, sagt der 55-jährige heutige „Herr der Würzsauce“. Der Firmengründer habe die weit und breit erste Betriebskantine eingerichtet, Krankenversorgung für die Beschäftigten organisiert und Arbeitnehmervertretungen gefördert.
Soziales Engagement stand indirekt sogar bei der Erfindung der Suppenwürze Pate. Sie ergab sich quasi als Nebeneffekt bei der Entwicklung von Fertigsuppen aus eiweißreichen Hülsenfrüchten, sogenannten Leguminosen. Die Suche danach war aus der Not geboren: 1882 hatte die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) angesichts weit verbreiteter Unterernährung bei Fabrikarbeitern und deren Familien Alarm geschlagen.
Zusammen mit dem Schweizer Arzt und Fabrikinspektor Fridolin Spuler machte sich Maggi an die Entwicklung einer Spezialkost nach den Vorgaben der SGG: Guter Nährwert, leichte Zubereitung und vor allem ein selbst für Geringverdiener bezahlbarer Preis.
Zum Erfolg des Suppenkönigs trug auch Dichtkunst bei. Maggi - den man im italienischen Teil der Eidgenossenschaft bis heute korrekt „Madschi“ ausspricht - erkannte den Nutzen von Werbung. 1886 richtete er ein „Reclame- und Pressebureau“ ein. Chef wurde ein junger Hannoveraner, der Jahre später zu den wichtigsten deutschen Schriftstellern gezählt werden sollte: Frank Wedekind (1864-1918).
Dessen Reklametexte wirken heute freilich oft etwas überdreht: „Vater, mein Vater! Ich werde nicht Soldat, dieweil man bei der Infanterie nicht Maggi-Suppen hat!“, dichtete Wedekind. Und weiter: „Söhnchen, mein Söhnchen! Komm du erst zu den Truppen, so isst man dort auch längst nur Maggi's Fleischconservensuppen.“ Werbeleute der nächsten Generation formulierten da schon eingängiger: „Ja, das macht das Essen fein, Maggi-Würze muss hinein.“