Psychologe: Hypochonder sind wirklich krank
Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Hypochonder leiden vielleicht nicht an ihren eingebildeten Krankheiten - krank sind sie aber durchaus, betont der Psychologe der Universität Frankfurt, Florian Weck: „Mit Jammern oder Simulieren hat das nicht zu tun“, sagte der Experte.
Offiziell gilt Hypochondrie als „somatoforme Störung“. Das heißt, ihre Beschwerden sind nicht körperlich zu erklären. „Meiner Meinung nach gehört Hypochondrie aber zu den Angststörungen“, erklärte Weck.
Unter einer ausgeprägten „Krankheitsangst“ leidet Weck zufolge in Deutschland weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Entgegen dem Klischee sind Männer und Frauen gleich häufig betroffen; auch alle Altersgruppen seien gleichermaßen vertreten. „Wer unter schwerer Krankheitsangst leidet, ist häufig sehr gewissenhaft und oft auch in anderen Lebensbereichen ängstlich“, erklärte der Wissenschaftler. Viele haben schlimme Krankheiten nicht selbst gehabt, aber hautnah miterlebt bei engen Bezugspersonen; oder sie hatten Eltern, die ihre Kinder-Wehwehchen eher dramatisiert, denn heruntergespielt haben.
Die Angst, an einer unentdeckten ernsthaften körperlichen Erkrankung zu leiden, begleite die Betroffenen oft Jahrzehnte. Am häufigsten sei die Angst vor Krebs, „aber zuletzt war auch EHEC ein großes Thema“. Jede körperliche Empfindung kann als Krankheitssymptom interpretiert werden. „Die Betroffenen versuchen, ihre Ängste zu bekämpfen, indem sie durch Internet-Surfen oder Arztbesuche immer wieder überprüfen, ob sie an der gefürchteten Krankheit leiden. Aber je häufiger sie das tun, desto kürzer hält die Beruhigung an - oder sie sind durch ihre Internet-Suche noch verunsicherter als zuvor.“
Anders als in der laienhaften Vorstellung von einem Hypochonder sprächen diese Menschen keineswegs gerne oder dauernd über ihr eingebildetes Leiden. „Im Gegenteil: sie meiden das Thema - aus Angst.“ Hier setzen eine mögliche Behandlungsmethode an: Der Patient wird ermuntert, sich die vermeintliche Krankheit bis ins kleinste Detail auszumalen. „Die Konfrontation mit seinen Befürchtungen führt dazu, dass man die Kontrolle über seine Ängste zurückgewinnt.“ Ein anderer Weg setzt bei den vermeintlichen Krankheitsanzeichen an: Der Patient lernt, „seine Körperwahrnehmungen kritisch zu überprüfen und anders zu bewerten“.
Für eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Studie vergleicht die Verhaltenstherapie-Ambulanz der Abteilung Klinische Psychologie der Goethe-Universität derzeit, ob die kognitive Therapie und oder die Konfrontationstherapie besser wirken. Zwischenergebnis: „Bisher sind beide Behandlungsansätze gut wirksam und gleichermaßen erfolgsversprechend.“