Verhütung: Die Pille für den Mann - ein Flop
Forscher befassen sich mit der Entwicklung, es fehlen aber immer noch Studien über die Effektivität. Ein Grund: Mangelndes Interesse der Pharmafirmen.
Düsseldorf. Die Hoden eines gesunden Mannes produzieren jeden Tag etwa hundert Millionen neue Spermien. Das würde reichen, um alle Frauen Europas zu befruchten. Um Fragen der Familienplanung hat sich der Mann bislang jedoch wenig gekümmert.
Das war Angelegenheit der Frau - und ist es bis heute geblieben. Doch immer mehr Frauen wünschen sich auch in punkto Verhütung mehr Gleichberechtigung: "Warum kann mein Mann nicht die Pille nehmen?", fragen sich viele.
Rund zwei Drittel der deutschen Männer können sich mittlerweile vorstellen, ihre Partnerinnen zu entlasten und selbst mit Hilfe eines Hormoncocktails für die Verhütung zu sorgen.
Geforscht wird nach der viel beschworenen Verhütungsmedizin für Männer schon lange. "Es gibt sie aber noch nicht auf dem Markt", sagt Reproduktionsmediziner Dr. Michael Zitzmann von der Uniklinik Münster.
In den bisherigen Forschungen wurde das männliche Geschlechtshormon Testosteron dabei als Produkt der Hoden von außen zugeführt. Das Prinzip: Der Hirnanhangdrüse wird dadurch suggeriert, dass die Hormonproduktion im Hoden ausreichend ist und dadurch Testosteron nicht mehr ausgeschüttet wird.
Die Spermienreifung kommt dadurch vollständig zum Erliegen, eine Schwangerschaft bei der Partnerin wird verhindert. Der Mann ist vorübergehend unfruchtbar.
Der Vorteil: Die Wirkung kann innerhalb von drei Monaten wieder rückgängig gemacht werden. Während zur Verhütung bei Frauen nur jeweils eine Eizelle pro Zyklus blockiert werden muss, ist die Sache bei Männern etwas komplizierter.
Denn die Eigenproduktion von Spermien dauert etwa 70 Tage. Nach etwa drei Monaten ist die Zeugungsfähigkeit wieder hergestellt. Warum ist die "Pille für den Mann dann immer noch nicht auf dem Markt?
"Es fehlt immer noch eine große Studie zur Effektivität", sagt Michael Zitzmann. Der zweite Grund für das Desinteresse der Pharmaunternehmen: Ein Testosteron-Präparat ist bereits als recht teures Medikament gegen eine Unterfunktion der Hoden auf dem Markt.
Um als Teil eines Verhütungsmittels angenommen zu werden, müsste die Testosteron-Spritze aber deutlich billiger werden - was wiederum nicht im Interesse der Arzneimittelhersteller liegt.
Im November starten die Münsteraner Forscher gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation die Forschung zur so genannten "Acht-Wochen-Spritze".
Dabei werden die Hormone anders als bei der Pille für die Frau von den Männern nicht geschluckt, sondern gespritzt: Das Präparat besteht aus einer Kombination eines Gestagen-Implantats und regelmäßigen Testosteron-Injektionen.
Testosteron wird ebenso wie das Östrogen, das in der Antibabypille für die Frau enthalten ist, während der Magen-Darm-Passage zerstört. Alle Versuche, ein synthetisches Testosteron-Derivat in wirksamer Tablettenform herzustellen, waren bisher erfolglos.
"Da Testosteron ein natürliches Hormon ist, gibt es keine Nebenwirkungen", betont Zitzmann. Lediglich Leistungssportler müssten aufpassen: Es lässt sich nachweisen, dass das Testosteron von außen zugeführt wurde. Doping-Proben fallen also positiv aus.
Die weiblichen Hormone Gestagene dagegen könnten vorübergehend zu Nachtschweiß, Stimmungsschwankungen und verstärktem Hungergefühl führen. Einige Pharmaunternehmen experimentieren nicht nur mit Hormonpräparaten, sondern auch mit nicht hormonellen Wirkstoffen.
Diese sollen vorübergehend entweder die Spermienproduktion, -reifung oder -funktion lahm legen. Anders als bei der Einführung der Pille für die Frau, die eine ganz neue Form der Verhütung war, ist die Pille für den Mann nur eine Ergänzung. Es gibt dann einfach nur die Möglichkeit, die Verantwortung für die Verhütung zu verschieben.