Klinik-Alltag: Kostendruck schwebt über allem

Der Wedel-Film "Mein alter Freund Fritz” sollte Missstände in Krankenhäusern enthüllen. Insider kritisieren: "Klischeehaft”.

Düsseldorf. Er war angekündigt als Enthüllungsfilm über den Alltag in deutschen Krankenhäusern, als Signal gegen die "Pilcherisierung” des Fernsehens. Erfolgsregisseur Dieter Wedel hatte mit Superlativen zu seinem Klinikfilm "Mein alter Freund Fritz” am Montagabend im ZDF nicht gespart. Doch heraus kam ein eher typischer Arzt-Film mit reichlich Klischees, einer obskuren Geister-Geschichte und etwas Grundsatzkritik am Klinikalltag.
"Ich habe mich doch ziemlich geärgert, mir den Film angetan zu haben”, meint Anke B., Assistenzärztin in einer großen Hamburger Klinik. "Zwar hat er ein paar Missstände angedeutet, die Probleme aber auch ziemlich banalisiert.”
Birgit Brings, Betriebsratsvorsitzende des Cäcilienhospitals in Krefeld-Hüls, sieht das anders: "Ich wollte Regisseur Wedel schon eine Mail schicken, um ihm zu gratulieren. Er hat die Zustände in den Krankenhäusern auf den Punkt getroffen.” Dass Ärzte immer mehr zu Händlern statt Heilern werden, sei äußerst treffend dargestellt worden.
Der Verwaltungschef: Die Krankenkassen drücken die Preise
Der "Böse” ist im Wedel-Film schnell gefunden: Es ist der Verwaltungschef, der Ärzte und Pfleger zum Sparen um jeden Preis zwingt. "Natürlich ist der Verwaltungschef der Buhmann. Es kollidieren ja Interessen. Aber im Film war das übertrieben dargestellt”, sagt Hans Kothen. Er leitete 42 Jahre lang das Hospital in Willich. "Der Chef ist dafür verantwortlich, dass das Krankenhaus wirtschaftlich arbeitet. Und die Krankenkassen drücken die Ausgaben ganz schön”, sagt Kothen.
Die Krankenschwester: Der Druck wächst ständig
"Immerhin war der Film näher an der Realität als die Schwarzwaldklinik”, urteilt Petra E., die 25 Jahre lang als Krankenschwester im Münsterland gearbeitet hat. "Aber leider mussten die Klischees wieder bedient werden, wie die Krankenschwester, die sich an den Arzt heran macht.”
Der Effizienzdruck, der im Film gezeigt wurde, sei stark gestiegen. Inklusive der Bereitschaftsdienste in der Nacht kommt eine Schwester schnell auf 24-Stunden-Schichten. "Morgens ist es dann schwer, sich zu konzentrieren. Da passieren dann auch schon mal Fehler, was bei den Medikamenten katastrophale Folgen haben kann.” Heute begleitet Petra E. Sterbende in einem Hospiz: "Den Wechsel habe ich nie bereut.”
Die Assistenzärztin: Größtes Problem ist die skandalöse Weiterbildung
Dass bei 60-Stunden-Wochen gute Ärzte ins Ausland gingen, sei ein Problem, sagt Assistenzärztin Anke B. "Ich kenne mehrere Kollegen, die Schwedischkurse belegen”, berichtet sie. In Skandinavien oder der Schweiz könne man zwar nicht die große Karriere machen, aber es gebe angenehmere Arbeitszeiten und oft auch eine bessere Bezahlung.
"Ein Problem hat Regisseur Wedel aber gar nicht angedeutet”, sagt die Ärztin. Das sei die Weiterbildung zum Facharzt. Es sei ein undurchsichtiges System aus Erfahrungsnachweisen, praktischer Tätigkeit und einem Theorietest. "Entscheidend ist, was der Chefarzt bescheinigt. Ob der Arzt die Behandlung tatsächlich beherrscht, steht auf einem ganz anderen Blatt.”
Die Stationsärztin: Wir haben eine ungeheuer große Verantwortung
"Der Film hat mich richtig wütend gemacht”, empört sich die Anästhesistin Gabriele M. "Das hatte mit der Wirklichkeit wenig zu tun: Der Verwaltungschef läuft nicht ständig Kontrolle, der Chefarzt macht nicht alles selbst, der Pathologe ist nicht unbedingt ein bleiches Ekel, die junge Krankenschwester nicht immer willig, die ältere Schwester nicht dick und aufopferungsvoll im Umgang mit den Patienten.” Aber natürlich stünden die Ärzte unter Zeitdruck, und man müsse auch aufs Geld achten. Und über allem stehe die riesige Verantwortung, die man dem Patienten gegenüber habe.