TV-Gewinnspiele: Je mehr Anrufe, desto mehr Geld
9live und andere Sender verstoßen gegen die eigenen Regeln, um Gewinn zu machen. Zahlen muss der Kunde.
<strong>Düsseldorf. Tiere ohne die Buchstaben KLAUSI sucht der TV-Sender 9live in einem Spiel kurz vor Mitternacht. "Pferd" steht schon an der Wand, der Moderator wartet auf weitere Lösungen. 3000 Euro soll es geben und einen Motorroller. Dann passiert über 100 Minuten lang - nichts. Abgesehen von Trommelwirbeln, blinkenden Lichtern und einem Moderator, der ständig sagt, dass gleich was passieren wird. Aber kein Anrufer kommt durch. Spielprinzip ist der "Hot Button". In den Mitmachregeln des Senders steht: "Im ,Hot-Button-Modus’ wird zu einem beliebigen Zeitpunkt, entweder innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters oder ohne zeitliche Begrenzung (...) ein Anrufer ausgewählt, der gerade in diesem Moment anruft." "Zufällig" schlägt der "Hot Button" aber fast zwei Stunden lang nicht zu. Nicht Zufall, sondern die Entscheidung eines Redakteurs sorge dafür, wann ein Anrufer durchgestellt wird, behaupteten ehemalige Mitarbeiter von 9live im ARD-Magazin "Plusminus". Stundenlang also treffen die Mitspieler nur tote, aber teure Leitungen.
Ein gutes Geschäft für den Sender: Laut der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), für die Überwachung des 9live-Programms zuständig, gehen monatlich rund 20 Millionen Anrufe dort ein. Jeder Anruf kostet 50 Cent, das macht Einnahmen von etwa 10 Millionen Euro. Die ausgeschütteten Gewinne pro Monat betragen etwa eine Million Euro.
Um möglichst großen Gewinn zu erzielen, begehen 9live und Sender wie DSF, Kabel 1, Sat.1 und VivaPlus auch Regelverstöße. In den Anwendungs- und Auslegungsregeln für Fernseh-Gewinnspiele etwa steht, dass ein Sender im "Hot-Button-Modus" Hinweise geben muss, dass die Zeit der Durchstellung ungewiss ist. "Der Aufbau von nicht vorhandenem Zeitdruck ist unzulässig." Dennoch sagen die Moderatoren Sätze wie "Jede Sekunde kann der Button zuschlagen".
Zuschauer-Beschwerden gibt es viele: "Bei unseren Zuschriften ist der Unmut über 9live und vergleichbare Sendeangebote das beherrschende Thema", sagt Widlock.
PROSIEBENSAT.1 Die Sendergruppe, zu der auch 9live gehört, arbeitet mit den Landesmedienanstalten an einer Verbesserung der Richtlinien. So will der Konzern künftig in Einklang mit den Datenschutzbestimmungen Telefonverbindungen und Gewinnüberweisungen zur Überprüfung an die Anstalten weiterleiten, um deren Echtheit zu beweisen.
JUSTIZ Strafanzeigen gegen 9live gab es wegen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft München kam zu dem Ergebnis, dass die Geschäftspraxis des Senders in "strafrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sei".
ALM Die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) will Verstöße gegen den Maßnahmenkatalog (frühestens im Juni könnte eine Fassung erscheinen) im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien verankern. Nur dann würden Verstöße als Ordnungswidrigkeit gelten und könnten mit Bußgeld geahndet werden.