Was bringt Menschen zum Hund?

Hunde lieben bedingungslos und fördern Kontakt. Wir sprechen mit einen Wuppertaler Familientherapeuten.

Herr Grudzinski, was treibt den Menschen zum Hund?
Grudzinski: Ich denke, dass viele Menschen das große Bedürfnis haben, ihr Herz zu verschenken. Ein Hund ist sehr aufnahmebereit für Liebe. Und es ist befriedigend, ein Wesen um sich zu haben, dass einen bedingungslos liebt - ganz egal, ob man dick oder dünn ist, alt oder jung, ob man die neueste Mode trägt oder nicht. Es ist auch schön, für jemanden zu sorgen, das vermittelt Sinnhaftigkeit.

Gefühle könnte man aber doch auch von anderen Menschen bekommen?
Grudzinski: Viele sind vorsichtig geworden, ein emotionales Risiko einzugehen. Sie trauen sich kaum, ihre Gefühle und Bedürfnisse anzumelden, weil sie Angst haben, den anderen zu belästigen. Oder sie haben die Erfahrung gemacht: Du bekommst nur ein Gefühl zurück, wenn du das tust oder so und so bist. Hunde sind einfach dankbar. Und sie zeigen klar ihre Bedürfnisse: Ich will raus, ich habe Hunger.

Was passiert, wenn sich Menschen einen Hund zulegen?
Grudzinski: Mit Hund fühlt man sich nicht einsam. Dieses Problem betrifft nicht nur Singles und ältere Menschen. Auch in Familien leben viele aneinander vorbei. Mit Hund kommt man mehr nach draußen, im konkreten wie im übertragenen Sinn. Er hat eine enorme kontaktfördernde Funktion, weil man andere Hundebesitzer trifft oder Leute mit einem Lächeln auf den Hund - und seinen Besitzer - zugehen.

Sind Hunde ein Kinder-Ersatz?
Grudzinski: Das können sie sein. Das führt aber leicht zu Fehlentwicklungen beim Hund, weil er nicht mehr artgerecht gehalten wird. Es gibt jedoch meiner Ansicht nach manche Parallelen im Umgang mit Kindern und mit Hunden. Beide brauchen viel Zuwendung und stete Konsequenz, damit sie nicht aus der Spur laufen. Kinder sind natürlich ungleich anspruchsvoller und haben differenziertere Bedürfnisse.

Wie ist es mit Kindern und Hunden zusammen?
Grudzinski: Das klappt meist sehr gut. Da besteht einfach ein natürliches Verhältnis.

Funktioniert das auch bei alten Menschen?
Grudzinski: Es ist nachgewiesen, wie positiv sich Hundebesuche in Altersheimen auswirken, wie die alten Menschen durch den Anblick und das Streicheln aus ihrer Lethargie erwachen. Da hat der Hund eine herzerwärmende Funktion. Generell sind Menschen so angelegt, dass sie Kontakt zu Tieren haben sollten. Das bringt sie näher zur Schöpfung und zu einer natürlichen Welt - ein neues Fernsehgerät schafft das nicht.

Spielen auch Gesundheitsgründe mit, wenn sich jemand einen Hund anschafft?
Grudzinski: Meiner Erfahrung nach kaum.

Was sagt die Auswahl der Hunderasse aus?
Grudzinski: Viele lassen sich vom Kindchenschema mit runden Formen und plattem Gesicht ansprechen. Es gibt daher eine starke Tendenz zu kleinen Hunden, die auch als ausgewachsene Tiere putzig bleiben. Ein anderer Fall sind Jack-Russel-Terrier, die sehr lebendig und fröhlich sind - wobei viele Menschen ihre Vitalität unterschätzen. Dann gibt es noch Leute, die bewusst einen Mischling aus dem Tierschutz bei sich aufnehmen.

Kann ein Hund allein die vielen Anforderungen erfüllen?
Grudzinski: Das ist selbst für ein anpassungsfähiges Wesen wie den Hund schwierig. Nicht umsonst steigt die Zahl der Hundeschulen und Tiertherapeuten. Und die behandeln letztlich nicht den Hund, sondern den Halter.

Ist angesichts dessen eine angemessene Beziehung zu einem Hund überhaupt möglich?
Grudzinski: Aber ja. Wenn man die Bedürfnisse des Hundes berücksichtigt, kann er nicht nur den Blutdruck senken, sondern macht superglücklich.