Wem darf gekündigt werden?
Bevor der Arbeitnehmer seinen Job verliert, muss der Betriebsrat informiert werden.
Düsseldorf. Nach der Kurzarbeitswelle droht in den nächsten Monaten eine Kündigungswelle. Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter rechnet mit fünf Millionen Arbeitslosen bis 2010. Worauf sollten Arbeitnehmer achten?
"Als ich den Brief bekam, ging mein Puls auf 180." Nach fast zehn Beschäftigungsjahren erhielt der Kunststoffschlosser Ansgar P. am 9. Juni 2009 die Kündigung - zum 31. August 2009.
"Erst mal gut durchatmen und Ruhe bewahren", sagt Axel Willmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Brühl bei Köln. Er rät ihm und anderen Betroffenen zur sorgfältigen Prüfung der Kündigung, die in Zeiten der Krise zumeist betriebsbedingt erfolgt. Geschieht dies mündlich, ist sie bereits deshalb unwirksam.
Das regelt Paragraf 623 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB): "Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen". Doch es gibt weitere wesentliche Voraussetzungen:
Ohne die Anhörung des Betriebs- oder Personalrats ist die Kündigung unwirksam - jedenfalls dort, wo es diese Interessenvertretung gibt. Hat der Arbeitgeber sich hieran nicht gehalten, kann man, so Anwalt Willmann, "sofort eine Kündigungsschutzklage einreichen". Gekündigte sollten sofort prüfen, ob die für sie geltende Kündigungsfrist eingehalten wurde.
Ansgar P. ist beispielsweise seit Januar 2000 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Für diese Beschäftigungsdauer schreibt Paragraf 622 BGB eine dreimonatige Kündigungsfrist vor - zum Monatsende. Ansgar P. könnte damit im Juni frühestens für Ende September gekündigt werden. Sein Arbeitgeber hat die Kündigung damit einen Monat zu früh terminiert. Hiergegen kann der Kunststoffschlosser klagen.
Dieses Gesetz schützt vor "sozial ungerechtfertigten" Kündigungen. Wer feststellt, dass Jüngere und Junggesellen sowie Arbeitnehmer, die dem Betrieb erst kurze Zeit angehören, von der Entlassung verschont wurden, hat vor Gericht gute Karten, wenn er sich gegen die Kündigung wehrt. Geschützt werden allerdings nur Entlassene, deren Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate bestanden hat.
Zudem muss der Betrieb mehr als zehn Beschäftigte haben. Falls das Beschäftigungsverhältnis - wie bei Ansgar P. - allerdings bereits vor 2004 bestand, reicht es, wenn der Betrieb mehr als fünf Beschäftigte hat, die dort bereits 2004 in Lohn und Brot waren. Für Schwerbehinderte oder Schwangere gibt es einen besonderen Kündigungsschutz. Kündigungsverbot besteht auch, wenn sich Arbeitnehmer in der Eltern- oder Pflegezeit befinden.
Gegen die Kündigung geklagt werden kann in der Regel nur innerhalb von drei Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens. Diese Frist, so Willmann, wird "nicht durch ein Protestschreiben an den Arbeitgeber, sondern nur durch die rechtzeitige Einreichung der Klage beim Arbeitsgericht gewahrt".
Bei Ansgar P. läuft die Frist am 30. Juni aus. Danach wird die Kündigung wirksam. Und dann hat er normalerweise auch keine Chance mehr, eine Abfindung zu erstreiten. Gibt es eine Abfindung, läuft es oft auf die Faustregel "halbes Brutto-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr" hinaus.
Spätestens drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses müssen sich die Betroffenen bei der Arbeitsagentur melden. Bei Arbeitsverhältnissen mit kürzerer Kündigungsfrist gilt: Die Meldung muss spätestens drei Tage nach Erhalt der Kündigung erfolgen - sonst wird das Geld für eine Woche gestrichen.