Am goldenen Strand der Lagune

Alte Fischerhütten, Salzwiesen und Schilf sind der Übergang vom Meer zum Land.

Foto: Meike Nordmeyer

In flachen Bögen schiebt sich das Wasser lautlos an den Strand. Das Meer liegt ruhig da an diesem Morgen in Lignano Sabbiadoro. Wo sich die Sonne schon durch die lockere Wolkenmasse durchgekämpft hat und ihre Strahlen hinabschickt, glitzert es silbrig. Der Strand ist menschenleer. Nur eine Urlauberin wandert mit schnellen Schritten mit ihren Nordic-Walking-Stöcken vorbei.

Foto: M. Nordmeyer

Der Strand von Lignano hat eine kräftige gelbe Farbe. Darauf verweist der Ortsteil stolz mit seinen Namen, denn Sabbiadoro heißt Goldsand. Dunkelblaue, orangefarbene und gelbe Sonnenschirme stehen in langen Fluchten auf der Sandfläche aufgereiht und erwarten die sonnenhungrigen Gäste, die sich schon bald zahlreich einfinden werden. Denn im Mai beginnt die Saison in Lignano.

Foto: Lignano

Der Badeort an der italienischen Adria ist circa 85 Kilometer von Venedig entfernt. Auf einer flachen Halbinsel gelegen hat er auf der zum Meer hingewandten Seite einen acht Kilometer langen Sandstrand zu bieten. Zur anderen Seite hin gehört die Landzunge zur Lagune di Marano, die sie an ihrer westlichen Seite zum Meer abgrenzt.

Wenn mal kein Strandwetter ist, gibt es ein reizvolles Alternativ-Programm: eine Bootstour. Mit Kapitän Adriano Zentilin geht es auf Tour in die Lagune. „Willkommen auf meinem Schiff“, ruft der Kapitän der Gruppe aus acht Leuten fröhlich zu und begrüßt alle Passagiere mit Handschlag. Kaum hat das kleine Ausflugsboot abgelegt, beginnt Adriano, in einem Gemisch aus Italienisch und Deutsch von der Lagune zu erzählen. Die erste Etappe des Ausflugs ist sein Geburtsort, das Fischerstädtchen Marano Lagunare.

„Wir fahren jetzt ein Stück auf der Autobahn“, sagt der Kapitän grinsend und steuert auf die Fahrrinne zu, die auf beiden Seiten mit Holzpfählen markiert ist. Das Wasser kräuselt sich leicht im Wind. Es zeigt sich im milden Blau, an manchen Stellen schimmert es hellgrün. Auf der rechten Seite ist die Insel Sant’Andrea zu sehen. Mit weiteren kleinen Inseln grenzt sie den mittleren Teil der Lagune vom Meer ab. Adriano übergibt das Steuer an seinen Mitarbeiter, holt rasch eine Trompete hervor und schmettert ein paar Melodien durch den Schiffsraum. Schon jetzt ist klar: Langweilig wird es mit diesem Kapitän sicher nie.

In dem kleinen Hafen von Marano ist kaum etwas los. Zwei Fischer sind mit ihren blauen Booten angekommen und sortieren den Fang. Kleine silbrige Fische rutschen in eine Kiste aus Styropor für den weiteren Transport. An der niedrigen Hafenmauer sind feinmaschige, schwarze Netze zum Trocknen aufgestellt.

Sehr beschaulich geht es auf dem „Granda“ genannten Hauptplatz des Orts zu. Selbst in der Hochsaison bleibt es hier eher ruhig, das bestätigt Adriano. Gemütlich lässt sich hier ein Cappuccino trinken und durch die Gässchen schlendern. Doch der Kapitän treibt seine Gruppe schon wieder an. Er weiß, dass er weiterfahren muss, denn Ebbe und Flut bestimmen die Abfahrtszeit.

Nur wenig später steuert sein Schiff auf eine Ansammlung von kleinen Fischerhütten zu, deren Dächer zwischen blühenden Tamariksen und anderen Bäumen, Sträuchern und Schilf hervorlugen. Die als Casoni bezeichneten Hütten sind aus Schilfrohr und Holz gefertigt und jeweils auf einem kleinen Stück Land errichtet, das von aneinandergereihten Holzpfählen umrandet und zusammengehalten wird. Die Hütten stehen am Rand von Salzwiesen und Schilfhainen. Deren Flächen sind von Wasser durchzogen und haben einen feuchten, sandigen Untergrund — eine sumpfige Übergangslandschaft zwischen Meer und Land, wie sie für die Lagune typisch ist.

Die Casoni dienten den Fischern in früheren Zeiten als Rückzugsort. Dort haben sie sich ausgeruht oder Schutz vor Regen und Unwetter gesucht, bevor sie wieder zur nächsten Tour aufgebrochen sind. Mit solchen Fischerhütten muss einst auch die Besiedelung von Venedig begonnen haben. In der Lagune von Marano lässt sich das heute noch beeindruckend nachvollziehen, der Ausflug ist wie eine Reise in die Vergangenheit. Noch immer vererbt der Vater dem Sohn die Hütte, was mit der Verpflichtung verbunden ist, sie zu erhalten. Weite Teile der Lagunenlandschaft stehen zudem unter Naturschutz.

„Wir besuchen jetzt mein eigenes Casone“, sagt Adriano stolz. Riesig wirkt das Ausflugsschiff vor der kleinen Anlegestelle. Der Kapitän führt die Besucher in die mit Holzbänken und Tischen eingerichtete Hütte, schnappt sich sogleich seine Gitarre und stimmt italienische Schlager an. „Was habt ihr morgen vor?“, will er zum Schluss von seinen Passagieren wissen. Für den nächsten Tag steht eine Fahrradtour in Lignano auf dem Programm. Fahrradwege führen sowohl am Strand als auch an der Lagune entlang, oder auch vom Ortsteil Pineta nach Riviera durch den Pinienhain. So können Besucher die Halbinsel mühelos selbst erkunden. Nur am Strand liegen, dafür ist Lignano viel zu schade.