Der Berg - Mystische Winterwelt auf dem Säntis
Urnäsch (dpa/tmn) - Ein Besuch des imposanten Säntis im Appenzellerland lohnt sich bei jedem Wetter - selbst bei Schneetreiben und Nebel. Dann wird die Auffahrt zu einem Ausflug in eine unwirkliche Winterwelt.
Am Morgen hat es begonnen, in dicken Flocken zu schneien, watteweich türmt sich der Schnee bereits zu Mittag, und auch am Abend hat es nicht nachgelassen. Da sollte man doch meinen, jeden zieht es nach Hause, aber weit gefehlt: Vor den Fenstern des Berghotels „Schwägalp“ jaulen die Motoren, in wilder Kurvenfahrt jagen die Scheinwerferkegel hin und her. Die Dorfjugend aus Urnäsch ist die zugeschneite Straße hochgekommen, um auf dem großen, leeren Parkplatz an der Talstation der Säntis-Bahn Spaß zu haben: Schleuderkurs wie auf dem Autoscooter, nur dass hier mit echten Autos geübt wird.
Doch selbst das Rodeo der Einheimischen ist als Einschlafmelodie geeignet: Denn der abendliche Rundgang über den „Laternliweg“, den gespurten Winterwanderweg rund um die Schwägalp, war anstrengend, vor allem für Flachländer. Mit Laternen ist er beleuchtet, und verlaufen kann man sich nicht. Doch immer wieder sind die Spaziergänger knietief eingebrochen. Der Storchengang über den Rundkurs mit anschließendem Hüttenabend, Käsefondue und Bauernbrot, dazu frischer Schweizer Weißwein und ein Appenzeller Kräuterschnaps als krönender Abschluss verlangt nach einer tiefen langen Rast und einer geruhsamen Nacht.
Treffpunkt am nächsten Morgen ist die Talstation. Ohne Kaffee. Den gibt es oben: Auf dem Säntis. Dem Berg. Dem Gipfel des Appenzellerlandes, der vom Bodensee aus zum Greifen nah erscheint. Doch heute ist überall Nebel. Mit Schweizer Pünktlichkeit startet die erste Bahn. Hinauf. Lecker Frühstück im Bergrestaurant, null Sicht. Wenige Gäste haben sich an diesem Tag hier herauf verirrt, in die unwirkliche Winterwelt.
Statt eines Rundgangs um den Gipfel ein Miniausflug hinaus auf die Terrasse. Schon der gerät bei böigem Wind und Schneeverwehungen zum Abenteuer. In der Bergstation lässt sich eine Mineralienschau besuchen oder im Rahmen einer Führung ein Film über die Geschichte des Säntis ansehen. Er erzählt eine wahre Begebenheit: Der Wetterwart Heinrich Haas wurde 1922 zusammen mit seiner Frau Margarete tot aufgefunden, etliche Tage, nachdem die Verbindung abgebrochen war, keine Wetterdaten mehr ankamen und die Retter sich aufgemacht hatten nachzusehen.
Der Doppelmord auf dem Säntis inspirierte bereits den Regisseur eines Spielfilms („Der Berg“ von Markus Imhoof) und die Macher einer Oper, die 2011 uraufgeführt wurde. Das Libretto schrieb Christoph Nix, der vielseitige Intendant des Konstanzer Stadttheaters. Dazu wurden die jüngsten Bauarbeiten gezeigt: In 2500 Metern Höhe wurde ein Fernsehturm errichtet, 123 Meter hoch, schwindelerregend schon beim Zusehen. Heute kann man darin herumlaufen und nach oben sehen, in den Turm. Denn noch immer dient der Säntis als Wetter- und Funkstation.
Nach drei Stunden auf dem Gipfel wird es Zeit, wieder zurückzuschweben, zurück aus dieser mystischen Welt. Nur vier Personen sind in der geräumigen Kabine bei der Abfahrt, kaum mehr warten zur Auffahrt. Warum, wird der Liftführer gefragt? - „Das ist ein Aussichtsberg“, sagt er trocken, um sich an der Talstation sofort wieder ans Enteisen der Stahlseile zu machen. So lange es geht, läuft die Bahn. Also in der Regel immer. Nur bei extremen Sturmböen oder Orkan wird der Betrieb eingestellt. Bei Schnee und Nebel nicht.
Informationen:
Säntis der Berg, Ch-9107 Schwägalp, Tel.: 0041/71/ 365 65 65.