Amsterdam: Hier spielt die Musik

Amsterdam. Wenn Mitarbeiter des Amsterdamer Muziektheaters zu purem Wodka greifen, muss das noch lange nicht im Delirium enden. Ganz im Gegenteil: Wer im Opern-Reich einen klaren Kopf bewahrt und sich an reinigenden Ritualen festhält, weiß, was er zu tun hat.

Ausgelassene Stimmung beim Prinsengrachtkonzert in Amsterdam. Foto: Martina Thöne

Foto: Thöne, Martina

Das wichtigste Utensil ist Wodka - er wird regelmäßig auf nassgeschwitzte Tänzerkleidung gesprüht.

"Das ist besser, als die Kostüme jeden Tag zu waschen", erklärt Oliver Haller. Zumal eine ganz spezielle Arbeitskleidung, ein aufwändiges Tutu aus Tüll, ohnehin nicht behandelt werden kann wie ein Sporthemd, das man einfach in die Waschmaschine steckt. "Tutus kann man nicht ,normal' waschen, sie gingen kaputt", verrät der ausgebildete Kostümbildner.

Der gebürtige Flensburger steht im Muziektheater, zeigt auf handgefertigte Kostbarkeiten, in die wenig später wieder Ballerinas schlüpfen werden, philosophiert über die Wirkung von Wodka, das auch als Desinfektionsmittel geschätzt werden kann, und geht in seiner Rolle als Leiter der Ballett-Kostümabteilung sichtlich auf. 1983 kam Haller nach Holland - heute sorgt er sorgt dafür, dass die Stars des niederländischen Nationalballetts passend gekleidet sind, wenn sie ihre Pirouetten drehen.

So weit die Theorie. In der Praxis gehört das Muziektheater, zugleich Sitz der Oper und des Balletts, mit mehr als 1600 Plätzen zu den größten Bühnen Europas. Wer nicht nur Röcke aus mehreren Schichten Tüll hautnah bewundern will, sondern eine Abteilung weiter auch den Expertinnen beim Perückenflechten auf die flinken Finger schauen möchte, ist willkommen - regelmäßig werden hinter den Kulissen Führungen angeboten.

Doch Amsterdam ist nicht nur die Heimatstadt des niederländischen Nationalballetts. Neben Tanz und Theater ist es vor allem die Musik, die aus dem "Venedig des Nordens" eine große Bühne macht. Die Klangvielfalt ist groß: Das Holland Festival lebt von internationalem Flair, das Sweelinck Festival konzentriert sich auf Alte Musik und geht im ältesten Gebäude der Stadt, in der 1306 gebauten Alten Kirche (Oude Kerk), über die Bühne.

Neben dem Europäischen Jugendmusikfestival lässt vor allem das Grachtenfestival staunen. Da kann es schon mal vorkommen, dass man an einem kleinen Kanal an einer großen Tafel sitzt, die Kellner - Flaschen und Häppchen servierend - als Laufsteg nutzen, während Musiker in schmalen Booten vorbeifahren und mit skurrilen Instrumenten schräge Töne von sich geben.

Wer es klassischer mag, hat beim Prinsengrachtkonzert Gänsehaut-Garantie. Schon lange vor dem ersten Ton stehen die Boote Schlange und warten auf Einlass in den Kanal: Musikbegeisterte Kapitäne, die mit Käse, Kerzen und Wein für den Abend gewappnet sind, konkurrieren um die besten Plätze vor der Bühne. Ob auf dem eigenen kleinen Schiff oder in den klassisch bereitgestellten Stuhl-Reihen an Land: Die Zuschauer feiern feucht-fröhlich, obwohl oder gerade weil das Prinsengrachtkonzert im vergangenen August fast ins Wasser gefallen ist.

Doch selbst vom plötzlich prasselnden Regen ließen sich Klassik-Fans weder die Stimmung noch die Romantik vermiesen. Ein trockenes Dach über dem Kopf bietet das Concertgebouw. Rund 800 Konzerte verschiedenster Stilrichtungen finden pro Jahr in Amsterdams berühmten Konzerthaus statt. Darunter sind Auftritte des weltberühmten Niederländischen Philharmonischen Orchesters, aber auch Heimspiele des Königlichen Concertgebouw-Orchesters, das sich mit Pauken und Trompeten, vor allem mit Mahler- und Bruckner-Interpretationen einen Namen gemacht hat.

Wer sich wie ein kleiner König fühlen möchte, sofern die echten Regenten nicht da sind, sollte übrigens Reihe eins auf der hinteren Empore ansteuern: Der royale Stuhl, auf dem Blaublüter Platz nehmen, wenn sie denn anwesend sind, trägt die Nummer 64. Von dort hat man den besten geraden Blick auf die Bühne, vor der selbst so mancher Musiker, der ganz oben auf der Karriere-Leiter steht, Angst hat.

Denn Solisten und Dirigenten müssen vor den Augen der Zuschauer von oben nach unten gehen: Jeweils 29 steile Treppen weisen links und rechts den Weg auf die Bühne. Auch das lernt man bei einer Führung hinter den Kulissen: Es soll schon Solisten gegeben haben, die sich anfangs nicht trauten, die Treppe herunterzugehen. Deshalb wird mit Neuankömmlingen auch vor allem eins geprobt: der stolperfreie Abstieg ins Rampenlicht.

Nähere Infos zu Amsterdam gibt es beim Niederländischen Büro für Tourismus und Convention: www.holland.com/de/Tourist.htm