Ein Dorf wird zur Leinwand - Street-Art-Projekt Djerbahood
Erriadh (dpa/tmn) - Das Wandgemälde des Künstlers Dome zeigt eine umgestürzte Statue in Form einer Hand, aus der ein Apfel rollt. Davor sitzt ein musizierendes Paar mit Tiermasken. „Adam und Eva, wenn man so will“, sagt Christian Krämer, der das Bild unter der tunesischen Sonne an die Wand gebracht hat.
Es ist nicht das einzige Kunstwerk in Erriadh, einer kleinen Gemeinde auf der Ferieninsel Djerba. Ungefähr 150 Künstler aus rund 25 Ländern haben hier gewirkt - Djerbahood nennt sich das Street-Art-Projekt.
Die Musikinstrumente besiegen den Apfel, der für die Verführung steht, erklärt Krämer. „Abandon The Apple“ (Gib den Apfel auf) heißt das Kunstwerk folgerichtig. „Die Geschichte von Adam und Eva kommt im Judentum, Christentum und Islam vor.“ Tunesien sei ein muslimisch geprägtes Land und das Thema deshalb passend für einen Ort wie diesen. Das stimmt allerdings.
In Erriadh mit seinen weiß getünchten Häusern, auf denen die bunten Graffiti besonders gut zur Geltung kommen, leben seit Jahrhunderten Juden und Muslime nebeneinander. Hier steht auch die Al-Ghriba-Synagoge, deren Ursprünge ins 6. Jahrhundert zurückreichen und die das älteste jüdische Gotteshaus Nordafrikas war. Der Neubau wurde 2002 Ziel eines Anschlags, der auch viele deutsche Urlauber tötete und die Eintracht Erriadhs für kurze Zeit erschütterte. Doch ansonsten ist der Ort ein Musterbeispiel für friedvolles Zusammenleben.
So muss das auch Mehdi Ben Cheikh gesehen haben, der das Projekt Djerbahood mit seiner Galerie Itinerrance aus Paris ins Leben gerufen hat. Nach der Revolution wollte er etwas für sein Land tun und lud Street-Art-Künstler aus der ganzen Welt ein: aus Frankreich, Japan, Deutschland, Mexiko, Südafrika - und aus Tunesien selbst. Während des vergangenen Sommers kamen sie nach Erriadh und malten. Auch Christian Krämer war da, sprühte sein biblisches Motiv auf die weiße Fassade und ist nun Teil des großen Gesamtkunstwerks, eines Museums unter freiem Himmel, zugänglich für jeden Besucher.
Der Besucher spaziert durch die sauberen Gassen, blickt nach links, schaut nach rechts, und immer wieder taucht ein neues Wandgemälde auf. Man trifft auf stolze Frauen- und ernste Männergesichter, auf Einhörner, Raubkatzen, abstrakte Motive. Die Bewohner von Erriadh hatten gegen die Wandbilder auf ihren weißen Häusern letztlich nichts einzuwenden. Im Gegenteil: „Manche wollten auf einmal auch ein Bild haben, weil der Nachbar eines hatte“, erzählt Isabelle Planchon, die in Erriadh das kleine Boutique-Hotel „Dar Bibine“ betreibt.