Flusskreuzfahrten nach der Nicko-Insolvenz

Berlin (dpa/tmn) - Für die Anbieter von Flusskreuzfahrten waren die vergangenen Jahre unruhige Zeiten. Und jetzt hat es Nicko Cruises erwischt, die bis vor kurzem noch Nicko Tours hießen. Der Stuttgarter Veranstalter musste Insolvenz anmelden.

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Als Gründe wurden unter anderem das Hochwasser im Frühjahr 2013 sowie aktuell die Spannungen in der Ukraine und Russland genannt - Kernmärkte von Nicko. Der deutsche Marktführer wurde 1992 als Russland-Spezialist gegründet.

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Dennoch glaubt Prof. Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule Wilhelmshaven eher an hausgemachte Gründe. „Nicko war sehr stark in Osteuropa, ein gesundes Unternehmen kann den Einbruch in einem Bereich aber verkraften“, sagt der Tourismusforscher. „So etwas kann eine angespannte Lage eines Unternehmens nur verschärfen.“

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Die genauen Hintergründe bleiben zunächst unklar. Im Januar 2013 hatte die Schweizer Beteiligungsgesellschaft Capvis Equity Partners die Mehrheit an Nicko Tours übernommen. Im Zuge der Insolvenz könnte nun auch nach einem neuen Eigentümer gesucht werden.

Klar ist aber auch: Die gesamte Flusskreuzfahrtbranche befindet sich seit längerem in unruhigem Fahrwasser. Zwei Jahre lang gab es kräftige Rückgänge. Zuletzt zeigte sich der Branchenverband IG River Cruise auf der Reisemesse ITB jedoch wieder etwas optimistischer. 2014 gab es ein Passagierplus von 2,3 Prozent. Die Buchungen für dieses Jahr seien „erfolgreich angelaufen“, sagt Geschäftsführer Helge H. Grammerstorf. Zahlen für das laufende Jahr kann er aber noch nicht nennen. Man blicke optimistisch in die Zukunft.

Als externe Hindernisse nennen die Veranstalter immer wieder das Hochwasser im Frühjahr 2013, die Streiks der Schleusenwärter und das Niedrigwasser im Sommer 2014. Hinzu kamen die Probleme in zwei wichtigen Zielgebieten: zunächst in Ägypten, wo als Folge des politischen Umsturzes so gut wie keine Nilkreuzfahrtschiffe mehr fuhren. Und schließlich der Konflikt in Ukraine und Russland. Zumindest in Ägypten stünden die Zeichen auf „vorsichtiger Entspannung“, sagt Grammerstorf.

Doch viel schwerer wiegen für Kirstges die internen Probleme: „Flusskreuzfahrten sind immer noch ein Produkt für die Zielgruppe 60 plus.“ Die Hochseekreuzfahrt habe es dagegen geschafft, auch jüngere Kunden anzuziehen. Vieles versuchen die Reedereien auf dem Fluss derzeit, sie setzen auf Kulinarik oder Themenreisen zum Beispiel rund um den Wein. Bislang ist der Erfolg aber offenbar noch gering: „Die Alten werden irgendwann zu alt für eine Flusskreuzfahrt, und die Jüngeren fühlen sich davon einfach nicht angesprochen“, so Kirstges.

Grammerstorf glaubt dagegen an das Produkt und widerspricht: „Es kommt immer Publikum für Flusskreuzfahrten nach.“ Wer heute jung ist, so die Argumentation, kommt irgendwann in ein Alter, in dem eine Flusskreuzfahrt für ihn interessant ist. „Ich würde nicht nach Alter differenzieren, es gibt einfach unterschiedliche Erwartungen.“

Trotzdem ist der deutsche Markt hart umkämpft. Als Folge liefern sich die verbleibenden Reedereien einen harten Preiskampf. „Der deutsche Kunde bucht eine Flusskreuzfahrt in der Regel ohne Vor- oder Nachprogramm und nicht als Paket. Da scheint es dann eine hohe Transparenz bei den Preisen zu geben“, erklärt Grammerstorf. „Der Kunde erkennt oft nicht, dass er für unterschiedliche Preise auch eine unterschiedliche Leistung bekommt.“

Auffällig ist, dass Flusskreuzfahrten bei deutschen Urlaubern derzeit eher weniger beliebt sind, während sie vor allem bei Reisenden aus den USA boomen. „Diese sind auch bereit, deutlich mehr dafür zu zahlen“, sagt Kirstges. Die höheren Gewinnmargen locken auch die Veranstalter. So stieg Viking 2013 aus dem deutschen Markt aus und konzentriert sich ganz auf die USA.

Die IG River Cruise führt das auch auf Probleme bei der Infrastruktur zurück. Den Zustand von Schleusen und anderen Wasserbauwerken betrachtet Grammerstorf mit zunehmender Sorge. „Wenn auf einem langen Flussabschnitt eine Schleuse ausfällt, ist der Fluss gesperrt. Anders als bei Reisen an Land gibt es keine Ausweichmöglichkeiten.“ Außerdem wächst die Flotte. „Wir brauchen mehr leistungsfähige Hafenanlagen. Die neuen Schiffe sind eher 135 als 110 Meter lang.“

Eine generelle Zurückhaltung der Kunden bei Flusskreuzfahrten sieht derzeit auch Rudolf Stäuble, der bei Dertour für diesen Bereich verantwortlich ist. Er verweist ebenfalls auf die politischen Krisen: „Wir hatten 2014 für Russland noch Zuwächse, das ist dieses Jahr beträchtlich zurückgegangen.“ Zwar besteht bei Fahrten auf Donau oder Wolga kein Risiko. „Aber Russland hat ein Imageproblem.“ Die Ukraine ist schon vor zwei Jahren aus dem Programm verschwunden.

Allerdings ziehen nach Stäubles Beobachtung auch Rhein und Donau nicht mehr so wie früher. Während es in der Hochseekreuzfahrt in den vergangenen 15 Jahren starke Veränderungen gegeben habe, müsse das im Flussbereich erst noch passieren. Mehr Auswahl beim Bordprogramm und bei den Ausflügen seien zwei wichtige Gesichtspunkte. Dertour setzt aber auch auf neue Zielregionen für Flusskreuzfahrten: „Etwa in Asien, Süd- und Nordamerika“, sagt Stäuble. „Dort wollen wir immer mehr Flüsse neu ins Programm nehmen.“

Deutlich optimistischer blickt A-Rosa in die Zukunft, neben Phoenix einer der großen Konkurrenten von Nicko Cruises. 2014 habe man den Umsatz um 24 Prozent steigern können, die Zahl der Gäste sei um 16 Prozent gestiegen, so Geschäftsführer Hans Jörg Eichler. Auch für 2015 plant das Unternehmen mit zweistelligem Wachstum. A-Rosa kommt sicher zugute, dass es nicht in den beiden Krisengebieten Ägypten und Ukraine/Russland vertreten ist. Durch eine Neuausrichtung auf das Premium-Segment nehme man außerdem nicht mehr am Preiskampf teil. „A-Rosa konnte 2014 höhere Preise erzielen als 2013“, so Eichler. Die Entwicklungen im Markt sind also durchaus unterschiedlich.