1959 stürzte Buddy Holly mit dem Flugzeug ab. Das Unglück ging als „der Tag, an dem die Musik starb“ in die Geschichte ein. Doch in seiner Heimatstadt Lubbock in Texas lebt der Rock’n’Roller mit der markanten Brille weiter. Eine Stadt für Buddy Holly

In seinen Grabstein sind Notenlinien und eine E-Gitarre gemeißelt. Daneben liegt eine Sonnenbrille, die Fans anstelle von Blumen mitgebracht haben. Buddy Hollys Hornbrille ist zum Markenzeichen für einen der ersten großen Stars der Rock’n’Roll-Ära geworden.

Vor dem Eingang zum Buddy Holly Center liegt eine Brille im Sand.

Foto: Pia Hoffmann

„Viele Leute lassen auf dem Grab Gegenstände liegen”, erzählt die Tourismussprecherin von Lubbock, Katherine White. „Mal einen Golfball, ein Fähnchen oder ein Gitarrenplektrum, aber meistens sind es Brillen.“ Die letzte Ruhestätte des Sängers auf dem City of Lubbock Friedhof wirkt überraschend unscheinbar: ein heller Marmorstein auf verdorrtem Gras. „Das passt zu seinem Charakter“, erläutert die junge Frau. „Buddy Holly war zwar ein großer Star, aber er war immer zugänglich.“ Und so wurde großer Wert darauf gelegt, dass auch seine letzte Ruhestätte von der Straße aus für jedermann erreichbar ist.

Jedes Jahr pilgern Musikfans aus der ganzen Welt in die kleine Stadt im Westen von Texas, in der staubige Cowboys zwischen geschniegelten Geschäftsleuten herumlaufen und die Kulturszene blüht. Erste Anlaufstelle für die meisten Touristen ist das Buddy Holly Center in der Crickets Avenue, benannt nach der Band des Rockstars, der eher aussah wie ein biederer Bankangestellter.

Die echte Brille
ist jetzt im Museum

Vor dem Eingang liegt ein riesengroßes zerkratztes Brillengestell wie zufällig weggeworfen im Sand. Die Symbolkraft lässt viele Besucher erschaudern, denn die blutverschmierte Brille des Sängers war einer der wenigen Gegenstände, die 1959 an der Absturzstelle geborgen wurden. Mehrere Jahre war sie in Polizeigewahrsam.

Jetzt ist sie das bedeutendste Ausstellungsstück im Museum. „Wir mussten nur ein Scharnier ersetzen, ansonsten war die Brille heil“, berichtet der Bildungsbeauftragte des Buddy Holly Centers, Sebastian Forbush.

Während seiner Wintertournee mit The Big Bopper und Ritchie Valens war Buddy Hollys Tourbus im Schnee stecken geblieben, so dass der Rock’n‘Roller kurzerhand ein Privatflugzeug chartern musste. Fünf Minuten nach dem Start in Clear Lake, Iowa, stürzte die Maschine in dichtem Schneetreiben ab. Alle drei Musikstars und der Pilot waren sofort tot.

Zwölf Jahre später bezeichnete der Sänger Don McLean diesen Tag in seinem Lied „American Pie“ als den Tag, an dem die Musik starb („The Day the Music Died“). Buddy Holly wurde nur 22 Jahre alt. In seiner kurzen Karriere hatte er 25 Hits, darunter „Peggy Sue“, „That’ll Be the Day“ und „Oh Boy!“. Die Original-Singles sind im Buddy Holly Center zu sehen, wie auch seine Hoeffner Gitarren und seine berühmte Fender Stratocaster. Die ersten Gitarren hatte ihm sein ältester Bruder Larry geschenkt, der noch in Lubbock lebt. Er schreibt den Familienname bis heute mit „e“, obwohl Buddy den Buchstaben aus seinem Künstlernamen gestrichen hatte.

Tim Collins von der Lubbock Performing Arts Association ist mit Larry Holley befreundet. „Larry, Buddy und ich haben früher mit Keramikfliesen gehandelt“, erzählt Collins. „Larry ist jetzt 94 Jahre alt und nimmt immer noch an unseren Gedenkveranstaltungen für seinen berühmten Bruder teil.“ Auch Buddys Witwe Maria Elena und seine Nichten und Neffen unterstützen die Gemeindeaktivitäten.

Vieles in der Stadt ist
nach dem Künstler benannt

Die Einwohner von Lubbock begegnen dem berühmten Sohn der Stadt auf Schritt und Tritt, ob sie in der Buddy Holly Avenue einkaufen, sich am Buddy Holly Denkmal treffen oder im Buddy Holly Park spazieren gehen. „Die Leute haben noch immer eine enge Verbindung zu ihrem Star und sprechen oft über ihn“, sagt Tim Collins. „In Lubbock ist Buddy Holly noch am Leben.“

Hier stehen auch noch die Gebäude, in denen Buddy geboren wurde, in denen er aufwuchs und Maria Elena heiratete. „Es sind bescheidene Häuschen mit Veranda und Garage im typischen West-Texas-Stil“, erläutert Katherine White. „Hier kann man heute noch gut nachempfinden, wie er sich damals gefühlt hat.“

Besucher können auch Holzarbeiten besichtigen, die der Sänger selbst hergestellt hat, wie etwa einen Schreibtisch, in dessen Schublade noch alte Gitarrengurte liegen. Das Haus seines Drummers Jerry Alison wurde so restauriert wie es in den 1950er-Jahren ausgesehen hat, als er mit den Crickets übte und Songs schrieb. Das Schlagzeug in Jerrys Zimmer steht da, als hätten die Jungs nur mal eben eine kurze Pause eingelegt. In der Lubbock High School, in der Buddy als Charles Hardin Holley bis 1955 zur Schule ging, sind seine Zeugnisse, Schularbeiten und Werke aus dem Kunstunterricht ausgestellt. „Wie viele Kinder in Texas malte er am liebsten Pferde und Cowboys“, erzählt Sebastian Forbush. Der schmächtige Junge war ein durchschnittlicher Schüler, der sich besonders im Englischunterricht schwer tat.

Schon mit 13 Jahren
eine eigene Radiosendung

Plaketten markieren seine ehemaligen Klassenzimmer; vor der Aula hängt eine große Erinnerungstafel. „Darauf stehen alle, die jemals auf der Schulbühne aufgetreten sind – auch Buddy Holly“, sagt Katherine White stolz. Schon mit 13 Jahren hatten Buddy und sein Freund Bob Montgomery ihre eigene Radiosendung beim örtlichen Hörfunksender KDAV, der heute KRFE heißt. Das schäbige kleine Studiogebäude vor den Toren Lubbocks ist bei internationalen Musikfans ein beliebtes Fotomotiv.

Damit das Erbe von Buddy Holly auch für künftige Generationen erhalten bleibt, wird derzeit in Lubbock für 150 Millionen Dollar die „Buddy Holly Hall of Performing Arts & Sciences“ gebaut. Die für April geplante Eröffnung hat sich aufgrund der Corona-Pandemie verzögert, soll aber noch in diesem Jahr über die Bühne gehen. Bis dahin sollen in dem Kulturzentrum neben einer Konzerthalle, einem Theater und einem Restaurant auch Räume für das Symphonieorchester, das Ballett und lokale Künstler fertig sein.

Dann sollen Konzerte, Musikfestivals und Songwriter-Camps vor allem junge Leute nach Lubbock ziehen. Kurz vor seinem Tod hatte Buddy Holly ähnlich bedeutsame Baupläne für seine Heimatstadt. „Er wollte einen großen Studiokomplex in Lubbock errichten“, sagt Tim Collins. „Das Land hatte er bereits gekauft und von einem lokalen Architekten Zeichnungen anfertigen lassen.“ Wäre Buddy Holly am Leben geblieben, wäre Lubbock vielleicht heute genauso bekannt wie Nashville oder Los Angeles.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Visit Lubbock und Travel Texas.