Eseltrekking auf der idyllischen Schwäbischen Alb ist ein besonderes Erlebnis. Mit Peterle und Paulchen geht es in die Natur Eseltrekking: Auf allen Vieren

Auf der Zollernalb, einem Teil der Schwäbischen Alb circa 80 Kilometer südlich von Stuttgart entfernt, geht Baden-Württemberg mitunter richtig steil. Das merkt man schon bei der Anfahrt Richtung Ochsenberg und Katzenbuckel.

Mit Peterle und Paulchen, Melanie Hetz und Henry Herter geht es beim Eseltrekking über Wiesen, durch Wälder und Wacholderheiden. 

Foto: Martin Cyris

Oberhalb von Albstadt zeigt sich der sogenannte Albtrauf von seiner wildromantischen Seite. Die Erdgeschichte hat hier schroffe Felsen und steile Abhänge, aber auch friedliche Hochflächen und imposante Aussichtsstellen mitsamt Alpenblick geschaffen.

Treffpunkt Parkplatz „Kälberwiese“. Idealer Ausgangsort für die Ochsenbergtour, einem zertifizierten Premiumwanderweg rund um den gleichnamigen Berg. In den Karten ist sie mit dreieinhalb Stunden angegeben. Also nicht unbedingt eine Ochsentour. Erst recht, weil wir mit zwei deutschen Hauseseln wandern werden. Peterle und Paulchen stehen schon marschfertig bereit.

Bei Nieselregen fällt
das Bürsten aus

Normalerweise findet vor dem Trekking ein kleines Kennenlernen mit den Vierbeinern statt. Sprich, die Gäste dürfen die Felle der beiden neunjährigen Hengste bürsten. So kommt man sich näher und macht sich gegenseitig vertraut. Doch weil es nieselt, wird aufs Bürsten verzichtet. „Um das Wasser nicht im Fell und auf der Haut zu verteilen“, erklärt Henry Herter. Die Tiere, deren ursprüngliche Wiege in Afrika liegt, würden dann nämlich leichter frieren.

Henry Herter ist Papa. Von Melanie Hetz. Und die wiederum ist die „Mama“ von Peterle und Paulchen. Also ihre Halterin. Ihrer Hartnäckigkeit, man könnte auch sagen: ihrer Sturheit, ist es zu verdanken, dass man als Tourist zu Eselstouren aufbrechen kann. Ihre Familie war zuerst gar nicht begeistert von der Idee, sich Esel anzuschaffen. „Was willst du mit Eseln?“ habe ihr Vater sie gefragt. Die Zeiten, in denen sie als Nutztiere weit verbreitet waren, sind längst vorbei. Mittlerweile ist Henry Herter mindestens genauso begeistert vom Eseltrekking wie seine Tochter. Doch zum obligatorischen Thema Esel und Sturheit später noch mehr.

Melanie Hetz schnappt sich das graue Peterle, der den Proviant tragen darf. Ich darf das braune Paulchen an der Leine führen. Los geht’s, Richtung Schnecklesfels. „Das Tempo bestimmen die Esel“ hatte ich im Vorfeld über die Touren gelesen. In der Tat, denn mein Paulchen ist nicht nur ungebürstet, sondern anfangs auch ganz schön ungehobelt. Und unbändig sobald er etwas Leckeres erblickt. Davon gibt es abseits der Wege reichlich. Wiesenkräuter, Sprösslinge, Blätter. Dann ist Paulchen kaum zu halten. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Die erste Lektion beim Eseltrekking erklärt mir Henry, nachdem mich Paulchen ein paar Mal in die Botanik gezogen hat: „Zeig ihm, wer der Boss ist.“ Es sei ein Kräftemessen, „er probiert es halt“. Ich merke schon: Mit der langen Leine kommen wir hier nicht weit(er). Mit einem entschiedenen „Nein!“ oder „Weiter!“ dagegen umso eher.

Zur ersten Station, dem Schnecklesfels, ist es nicht weit. Peterle und Paulchen genießen ihr Grünzeug und wir die Aussicht auf Albstadt-Ebingen. Den Namen „Albstadt“ gibt es übrigens erst seit der Gebietsreform 1975. Unter den Teilgemeinden bildet Ebingen die größte. Das nächste Highlight auf der Tour – die Heidensteinhöhle, die in der Steinzeit von Menschen bewohnt war – ist ebenfalls nur einen Steinwurf entfernt. Es geht durch schattige Buchenwälder und vorbei an weiteren Aussichtspunkten. Paulchen und ich sowie Henry gehen voran. Peterle und Melanie folgen. Der erste Esel im Trupp, das steckt in den Genen, streckt die Lauscher nach vorne, der hintere richtet sie rückwärts aus. Das sieht ulkig aus, aber ergab einstmals in der afrikanischen Steppe durchaus Sinn. Mir steht der Sinn allerdings mehr danach, Paulchen auf Kurs zu halten.

Verfressen und
total putzig

Die beiden sind ein bisschen verfressen, ansonsten jedoch ungefährlich, äußerst putzig und herzallerliebst anzuschauen. Doch es ist mein Verstand, der es mir mitunter unnötig schwer macht. Diese Glaubenssätze, diese Klischees über den Esel an sich. Weil ich es mir mit Paulchen nicht verscherzen wollte, hatte ich ihm anfangs die lange Leine gelassen. Denn Esel gelten ja gemeinhin als äußerst stur und störrisch. Aber auch als nachtragend.

Wohl die meisten kennen eine Anekdote, wonach ein Esel ums Verrecken nicht mehr weiterlaufen wollte. Doch Melanie Hetz winkt hab: „Sie haben halt ihren eigenen Kopf.“ Aber das mit der Sturheit sei ein Vorurteil des Menschen. Es seien eher menschliche Vorstellungen und Erwartungen, die zuweilen mit denen des Esels kollidierten. „Kinder tun sich mit Eseln oft leichter als Erwachsene“, sagt Melanie, „weil sie unbefangen an die Sache herangehen.“ Zum Wohlgefallen der Esel, denn es seien schlaue Tiere, die sehr empfindlich auf Hektik und Unsicherheit reagieren würden.

Mit der Zeit werde ich als Eselboss offenbar sicherer. Denn mit jedem Meter kooperieren Paulchen und ich besser. Läuft bei uns. So ist nach einer Weile der wohl schönste Rastplatz der Ochsenbergtour erreicht: der „Alpenblick“ inmitten einer idyllischen Heidelandschaft. Für die Esel gibt es Körner und Möhren, für die Zweibeiner ein schwäbisches Vesper mit Produkten aus der Region: Albsalami und sogenannte Seelen, ein regionales Gebäck.

Und bei schönem Wetter einen Panoramablick auf Schweizer Berggipfel. Also heute leider nicht. „Die Leute kommen wegen der Esel“, sagt Melanie Hetz lachend, es habe sich noch nie einer wegen einer wolkenverhangenen Aussicht beschwert.

„Eselfreunde sind nette Menschen“, sagt die Eselmama. Und bunt gemischt. Der Großteil der Gäste reist aus eher urbanen Regionen an. Vom Kindergeburtstag bis zum Unternehmerausflug war schon alles da. Und als Frischluftaktivität in schöner Natur ist das Eseltrekking nicht zuletzt in Coronazeiten sehr beliebt.

Apropos beliebt: „Für die Esel ist das hier ein Schlaraffenland“, sagt Henry Herter – bei so viel frischem Grün. Wenn Peterle und Paulchen später längst wieder im Stall stehen und vielleicht von saftigen Wiesen träumen, zieht es die Wanderer weiter in einen der Gasthöfe von Albstadt.

Einige, wie der Zollersteighof im Stadtteil Onstmettingen, werden als Traufgänge-Gastgeber geführt. Nahe des Hauses eröffnet sich einer der schönsten Ausblicke in Deutschlands Südwesten: Vom Zeller Horn aus hat man einen atemberaubenden Blick auf die Burg Hohenzollern. Nicht ganz so bekannt wie das bayerische Neuschwanstein, aber genauso spektakulär. Wie ein Märchenschloss liegt es auf einem allein stehenden Berggipfel.

Doch zurück zum Zollersteighof, das ganz auf regionale und saisonale Spezialitäten setzt, zum Beispiel Gierschknödel. Ein Genuss für Freunde der Wildkräuterküche. Da kann Paulchen in meinen Gedanken noch so zurren und zerren, die gehören jetzt ganz allein mir. Da bleibe ich stur.

Die Reise wurde unterstützt von Albstadt Tourismus.