Florida - Wo sich Tarzan von den Dreharbeiten erholte

Sonne, Strand, Meer und Mickey Mouse fallen vielen Menschen ein, wenn sie an den Sonnenschein-Staat denken. Doch das wahre Florida liegt jenseits der Klischees.

Old Joe hat die besten Tage hinter sich. Lang ausgestreckt und glänzend liegt er in der Lobby der Wakulla Springs Lodge. Seine großen Zähne können aber selbst kleine Besucher nicht schrecken.

Denn Old Joe, der fast vier Meter lange Alligator, ruht wie Schneewittchen in einem gläsernen Sarg. Seit er 1966 von einem Unbekannten erschossen wurde, hat er seinen Platz nicht mehr draußen, an den urwaldartigen Ufern der Südwasserquelle, sondern - gut konserviert - in der Lobby der Lodge.

Wer in dem fast 80 Jahre alten Hotel absteigt, hat das Gefühl, hier sei die Zeit stehen geblieben. Fernseher im Zimmer oder Minibar? Fehlanzeige! Statt dessen altmodische Möbel aus dunklem Holz und Leder, ein gemauerter Kamin in der Lobby, ein knarrender Holzaufzug - und Old Joe, der als erster die Gäste begrüßt.

An den Wänden hängen vergilbte Plakate aus den 40er und 50er Jahren. Sie zeugen von vergangener Größe der Wakulla Springs.

Tarzan, verkörpert vom legendären Johnny Weissmüller, ist hier ein und aus gegangen. Auch andere Filmstars wie Jack Lemmon und Lloyd Bridges waren da.

Wakulla Springs, hoch oben im Norden Floridas, war einst beliebte Filmkulisse wenn es galt, den Urwald in die Vereinigten Staaten zu holen. Einige der ersten Tarzan-Filme sind hier gedreht worden. Aber auch Werke wie "Creature from the Black Lagoon" von B-Film-König Jack Arnold.

Was Hollywood hierher zog, wird dem Besucher spätestens auf der Rückseite der Lodge klar: Dort liegen die "Geheimnisvollen Wasser" (Wakulla), wie sie einst vom Indianer-Stamm der Seminolen genannt wurden. Gebildet werden sie von einer ergiebigen Süßwasserquelle. Rund zwei Millionen Kubikmeter strömen täglich aus dem Boden und bilden einen trägen Fluss.

Etwa 20 Grad hat das glasklare Wasser, im feuchtheißen Florida-Sommer ein erfrischendes Vergnügen. Der Alligator-sichere Bade-Strand an der Lodge wird daher auch gern von Tagestouristen aus der Hauptstadt Tallahassee genutzt.

Gleich gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, beginnt die Natur. Hohe Bäume, dicht behängt mit Spanischem Moos, Schilfinseln, Alligatoren, Schlangen und Schildkröten zaubern die perfekte Urwald-Kulisse.

Regelmäßig führen Bootstouren in dieses Paradies. Ein wortgewaltiger Park-Ranger mit breitem Südstaaten-Akzent und ebenso breiten Zahnlücken hilft dabei, Kormorane, Ibisse und versteckte Schlangennester aufzuspüren. "Ich kriege sie alle", behauptet er selbstbewusst.

Mit etwas Glück kann er sogar die behäbigen Seekühe (Manatees) aus der Nähe präsentieren. Vor allem in den Wintermonaten, wenn die übrigen Gewässer Floridas zu kalt werden, ziehen sie sich in die Springs zurück. In Weeki Wachee Springs führen seit den späten 40er Jahren "Meerjungfrauen" eine Unterwasser-Show vor. Und der Homosassa Springs Wildlife Park nennt ein Unterwasser-Observatorium zur Beobachtung von Seekühen sein eigen.

Wakulla Springs und die anderen State Parks werben damit, "The real Florida" zu zeigen. Gemeint ist die schöne Natur, die keine zusätzlichen Showeinlagen braucht.

Schon 1934 hatte Edward Ball, Gründer des Wakulla State Parks und Erbauer der Lodge, betont: "I don’t want to make a honky tonk out here." Er wolle keinen billigen Rummel dort draußen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Weit weg von quirrliger Miami-Hektik und Disney-Glamour ist im Norden ein völlig anderes Florida zu erleben. Rinder- und Pferdeweiden sowie einsame Landstraßen, die durch Wälder und Dörfer führen, bestimmen das Bild. Der einsame Küstenstreifen in Richtung New Orleans nennt sich vielsagend "forgotten coast", vergessene Küste.

Auch die Hauptstadt Tallahassee wirkt verschlafen, kann sich mit ihren vielen Grünflächen und imposanten Südstaaten-Gebäuden rund um das alte und neue Regierungskapitol aber durchaus sehen lassen.

Sehenswert ist auch das Freilichtmuseum der Mission San Luis, westlich der Innenstadt. Ein Fort, eine Indianersiedlung und eine hölzerne Kirche aus dem 17.Jahrhundert sind dort an historischer Stätte nachgebaut. Fremdenführer in der Kluft jener Zeit erläutern anschaulich die damaligen Lebensbedingungen.

Wer den Norden Floridas bereist, sollte unbedingt auch nach San Augustine. Drei Autostunden von Tallahassee entfernt, rühmt sich die Stadt an der Ostküste, die älteste Siedlung in den USA zu sein: 1565 von den Spaniern gegründet, hat ihr mächtiges "Kastell de San Marcos" mit seinen vier Meter dicken Mauern aus Muschelkalk über Jahrhunderte allen Eroberungsversuchen getrotzt.

Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass viele alte Gebäude im Kolonialstil erhalten geblieben sind.

Vor allem amerikanische Touristen laufen gern über die gepflasterten Straßen im Ortskern. Ist die kleine Stadt unweit der Industriemetropole Jacksonville doch viel älter als ihr ganzer Staat.

Und das kann sogar Disney nicht bieten.