Frankreich: Flussaufwärts mit Rückenwind

Von Schloss zu Schloss: Genuss-Radeln im Tal der Loire ist pure Lebensfreude.

Düsseldorf. Nur nach dem Mittagessen fällt es schwer. Ein köstliches Drei-Gang-Menü im Magen, dazu ein Gläschen frischen Weißwein von der Loire - und danach soll man sich wieder aufs Rad schwingen? Das ist hart. Doch die Überwindung lohnt sich, denn mit dem Fahrrad im Loire-Tal von Schloss zu Schloss zu fahren, bedeutet Entspannung und Lebensfreude pur. Ein tolles Ziel für den Herbst.

Allerdings dürfen Radler, die ansonsten Strecken direkt an Rhein oder Wupper gewohnt sind, nicht einem Missverständnis aufsitzen: Radwege im Loire-Gebiet liegen nicht immer direkt am Fluss. Die mehr als 1000 Kilometer lange Loire, die auch dank des Fehlens von Staustufen als eine der letzten wilden Flussläufe Europas gilt, lässt das oft gar nicht zu. Launisch zieht sie sich bei Niedrigwasser extrem zurück, legt riesige Sandbänke frei, um einige Wochen später zum rauschenden Strom zu werden. Da baut man Straßen und Radwege besser schon mal ein Stück vom Wasser entfernt oder sogar entlang der kleineren Nebenflüsse. Der Vorteil: Der Radfahrer lernt kleine Dörfer kennen, gleitet durch Wiesen, schattige Wälder und Weinberge. Viel Abwechslung also.

Genauso variantenreich ist die Beschaffenheit der Strecke selbst. Da gibt es wunderbare, neu geschaffene Routen. Die Franzosen haben etliche Millionen Euro investiert, um den Fahrradfreunden Optimales zu bieten. Zeitweise teilt man sich auch den Weg mit (allerdings sehr selten vorbeikommenden) Autofahrern, die Rücksicht auf die internationale Schar der Radtouristen nehmen. Dazwischen kann auch mal noch ein kurzes Stück mit durchrüttelnden Pflastersteinen oder Wiesenweg-Qualitäten liegen.

Eine Besonderheit bei der Loire ist auch die Wahl der Reiserichtung: Da der Wind meist vom westlich liegenden Atlantik her bläst, empfiehlt es sich, flussaufwärts zu fahren. Die Länge der Etappen sollte nicht zu groß sein, denn bei einem Zwischenstopp in einem der rund 100 für Besucher zugänglichen Schlösser verfliegt die Zeit im Nu.

Ganz besonders gilt dies für das berauschende Lustschloss Chambord. Allein wegen der unglaublichen Zahl von 365 Schornsteinen plus weiteren Türmen und Türmchen bleibt man beeindruckt und sofort in Träumereien versunken stehen. In den Abendstunden werden Aufführungen mit raffinierten Licht- und Toneffekten geboten. Und das alles in einer Atmosphäre verspielter Superlative. So konnten in dem Schloss, das Franz I. 1518 von Leonardo da Vinci planen ließ, 2000 Menschen untergebracht werden. Der Park, ein ummauertes Jagdrevier mit Wildschweinen, erstreckt sich über unglaubliche 5400 Hektar - Paris ist nur unwesentlich größer. Lediglich ein weiteres Schloss sei unter den Glanzstücken besonders erwähnt: Chaumont-sur-Loire, das mit kreativer und teils verwirrender Gartenarchitektur bezaubert. Auch Städte wie Blois oder Amboise haben viel zu bieten. Amboise wartet mit den Gebeinen Leonardo da Vincis in der spätgotischen Kapelle auf.

Doch, wie meist in Frankreich, sollte man sich ausreichend Zeit für leibliche Genüsse lassen. Die Küche an der Loire ist weit weniger schwer als weiter östlich im klassischen Burgund, und oft schon vom gar nicht so weit entfernten Atlantik inspiriert. Vor allem bei den leichten Weißweinen, die auch hervorragende Begleiter zu Meeresfrüchten sind, merkt man dies. Eine Besonderheit findet sich im Dörfchen Rivarennes. Dort gibt es einen wohl weltweit einmaligen Familienbetrieb, der sich auf geklopfte Birnen spezialisiert hat. Diese Früchte werden in einem geheimen Verfahren in Höhlen geräuchert und mit einer Spezialkonstruktion geklopft.

Was einst als Konservierungsmethode für den Transport auf der nahen Loire galt, ist heute eine rare Attraktion für Feinschmecker aus aller Welt.