Hippie-Trail nach Goa
Vor 40 Jahren begann die Flower-Power-Bewegung, Hippies machten sich in der ganzen Welt auf, um für Frieden und freie Liebe zu demonstrieren.
Düsseldorf. "If you’re going to San Francisco..." Scott McKenzies Song traf 1967 den Kern der Flower-Power-Bewegung in den USA. "Be sure to wear some flowers in your hair" - Blumen waren Ausdruck des Protests, Blüten steckten in Gewehrläufen, in langen Haaren, prangten auf Kleidung.
1967 wird der "Summer of Love" ausgerufen und hunderttausende Hippies treffen sich in New York und San Francisco zu friedlichen "Sit-ins", tragen bunte Stirnbänder, demonstrieren gegen den Krieg und für individuelle Freiheit. Joints werden herumgereicht, LSD hat als bewusstseinserweiternde Droge Hochkonjunktur. Der Sommer der Liebe prägte eine neue Musik, propagierte die freie Liebe und die Gleichstellung der Geschlechter.
Mit dem Rucksack und möglichst billig - so reisten die Hippies in den 60er und 70er Jahren vor allem per Anhalter und mit Bussen von Europa nach Asien. Auf dem so genannten Hippie Trail ging es um Selbstfindung und Kontakt mit anderen Kulturen. Ideen von Gott und Erlebnisse wurden ausgetauscht, über viele Jahre trafen sich die Blumenkinder immer in denselben Hotels entlang der Strecke.
Wie im Pudding Shop in Istanbul oder dem Amir Kabir in Teheran. Die Ziele: Goa oder Kathmandu. In Nepal gibt es noch immer die Freak Street, die an tausende Hippies erinnert, die damals hier durchreisten. Die Hippies fuhren vor 40Jahren einfach los, verbrachten Monate im Ausland. Viele von ihnen blieben einfach: in Griechenland, Goa, auf Ibiza oder in Marrakesch.
Den Hippie Trail gibt es noch immer. Wer will, kann sich auf der Route bewegen, ähnliche Verkehrsmittel benutzen und in Nostalgie schwelgen. Denn die Vorbildfunktion der Hippies für heutige Rucksacktouristen ist unbestritten, auch wenn die Röcke nicht mehr lang und bunt sind und keine Blumen mehr in den Haaren stecken. Einige Veranstalter bieten eine Rückkehr in die Vergangenheit, organisieren Reisen auf dem Trail. Möglichst auf denselben Strecken und dem "Spirit" der Hippie-Bewegung ganz nah.
Der kleine indische Bundesstaat Goa ist mit seinen kilometerlangen Stränden längst zu einem der attraktivsten Reiseziele geworden. Doch die ersten, die hierher kamen, waren Haschisch rauchende Blumenkinder. Denn Goa war in den 60er und 70er Jahren eine Hochburg der Hippies. Wo seit den 80er Jahren Pauschalurlauber in der Sonne liegen, hingen Jahre zuvor noch Marihuanawolken über dem Strand.
Wenig erinnert heute noch an den Paradestrand der Blumenkinder. Die Fischerdörfer Calangute und Baga sind nicht mehr die Hauptziele der Rucksackurlauber, sondern bieten Hotels aller Preiskategorien und zahlreiche Strandbars. Ab und zu verwandelt sich nachts der von Palmen gesäumte Sandstrand in eine laute Rave-Party. Vor allem die Bucht des Anjuna Beach einige Kilometer nördlich von Baga lockte damals die Hippies an dieses von Felsen umgebene, verträumte Fleckchen.
Obwohl die Blütezeit der Blumenkinder längst vorüber ist, gibt es hier jeden Mittwoch einen Hippie-Markt. Es duftet nach Curry, Zimt und Kardamom, Frauen aus ärmeren Regionen wie Kaschmir und Rajasthan breiten bunte Tücher, Kleidung und Kunsthandwerk im Sand aus. Ein Alt-Hippie aus New York mit langen, grauen Haaren verkauft Sandalen, Hosen und Blusen - alle Sachen sind getragen. Die meisten schlendern vorüber in Gedanken an damals, und im Strandrestaurant nebenan gibt es dann Rührei, Krabbensalat und ein eisgekühltes Bier.
Umgeben von rabenschwarzen Sandstränden liegt das Dorf Stromboli. Weiße Häuser, blaues Meer und im Hintergrund der ständig rauchende Vulkan. Der Ort liegt in höchster Entfernung zur "Feuerrutsche", dem gefährlichsten Platz auf der Insel. Oben sprühen die drei derzeit aktiven Krater ihre Lava über einen verkohlten Hang ins Meer. Manchmal schnauft Stromboli seine Asche und Schlacke weiter weg.
Dann rumpelt der Vulkan nicht nur ohrenbetäubend, sondern lässt auch noch Steine auf die Häuser regnen. So hat es August Feist-Schuldes jedenfalls schon erlebt. Der Österreicher ist auf Stromboli aufgewachsen, seine Eltern haben dort seit Jahrzehnten ein Sommerhaus, wie viele europäische Hippies.
Er läuft ohne Schuhe über den Dorfplatz, auf dem junge Frauen in Blumenkleidern und mit wilden Langhaarmähnen sitzen. Auf seinen Waden prangen bunte Tätowierungen aus Sonne und Blumen. Er hängt neue Plakate für das Teatro del Fuoco, das Feuertheater, auf. Ende August trifft sich die Elite der Feuertänzer auf der italienischen Insel.
Er sieht aus wie Jesus: Lange Haare, Bart bis zum Bauchnabel, sitzt ein Mann in Meditationshaltung vor dem Laden und brummt minutenlang "Om". Im englischen Ort Glastonbury ticken die Menschen anders, hier sind Kristallkugeln, Zauberstäbe und Heilkristalle ganz alltäglich, Hippies und New Age bestimmen das Stadtbild.
Vielleicht liegt es daran, dass die Kleinstadt sich als Avalon versteht, dieses mystische Fleckchen Erde, an dem der heilige Gral versteckt sein soll. Eine junge Frau im langen Kleid mit riesigen Blumen drauf steigt aus einem bunten VW-Bus und geht barfuß zu einem Kloster.
Nur einmal im Jahr verliert Glastonbury seine Ruhe, wenn zum Festival 150000 Fans der Rock- und Folkmusik in die Region kommen und Stars wie Oasis auf der Bühne spielen. Das 1970 ins Leben gerufene Festival gilt übrigens als englisches Woodstock und beliebter Treffpunkt für Hippies aus aller Welt.