Aquarelle aus dem Outback

Die Kunst der Ureinwohner: Eine Spurensuche in den MacDonnell Ranges, westlich von Alice Springs.

Zeichnungen auf nacktem Fels und die Schöpfungsgeschichte von der "Regenbogenschlange", in kräftigen Farben Punkt für Punkt gesetzt in der Dot-Painting-Technik: Das ist die Kunst der Ureinwohner, die Australien-Urlaubern an vielen Orten auf dem Fünften Kontinent begegnet.

Aborigines und Aquarelle? Das scheint kaum zusammen zu passen. Dabei gilt Albert Namatjira als bedeutendster Künstler der Aborigines. Er hat das Outback in den schönsten Wasserfarben gemalt. Am 8. August jährt sich sein Tod zum 50. Mal - ein Grund, sich dort auf Spurensuche zu begeben, wo er viel Zeit verbracht hat: in den West MacDonnell Ranges bei Alice Springs.

Bis zum Sonnenuntergang dauert es nicht mehr lange. Die kleinen Fliegen nerven, aber die Farben der Landschaft, die sich alle paar Minuten ändern, faszinieren: In dunklem Purpur leuchten die Felsen, jenseits des sattgrünen Buschlands und des Flussbetts des Finke River mit dem Sandufer ist der 1380 Meter hohe Mount Sonder zu sehen.

Diese Aussicht von einem der Hügel nahe der Glen Helen Gorge hatte auch Albert Namatjira oft vor Augen: Die roten Felsen der MacDonnell Ranges und die Ghostgum-Eukalyptusbäume verewigte er viele Male.

Glen Helen liegt 130 Kilometer westlich von Alice Springs im West MacDonnell Ranges Nationalpark. Der Ort ist eine alte Rinderfarm und bietet mit seiner Lodge die einzige feste Unterkunft in den "West Macs". Das Restaurant serviert Känguru auf Kartoffelbrei. Bereits hier begegnet dem Gast Albert Namatjira: Etliche Aquarelle hängen an der Wand, wenn auch nur als Nachdruck. Namatjiras Werke waren in Australien rasch begehrt: Auf Ausstellungen verkaufte er sehr gut, was in der damals von Rassenschranken geprägten australischen Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit war.

Auch die Straße von Alice Springs nach Glen Helen wurde nach dem Maler benannt: Der "Namatjira Drive" führt durch eine breite, wellige Ebene mit rostroten Bergketten zu beiden Seiten, in denen sich interessante Ausflugsziele verstecken, etwa das Simpsons Gap, ein Durchlass in den Felsen nur 18 Kilometer von Alice Springs entfernt.

Hier gibt es ebenso gute Möglichkeiten für kurze Wanderungen wie 115 Kilometer weiter westlich an der Ormiston Gorge, wo drei Wege in die Schlucht und um sie herum führen. Zwischen den beiden Schluchten liegt Standley Chasm, eine sechs bis zehn Meter schmale Felsspalte, in der die Sonne nur mittags für kurze Zeit den Boden erreicht.

Zwei weitere Besucherziele entlang des "Namatjira Drive" sind die Ochre Pits und das Ellery Creek Big Hole - eins der größten Wasserlöcher in den West MacDonnell Ranges. An den Ochre Pits dagegen wurde einst Ocker von Aborigines-Männern für zeremonielle Zwecke aus dem Felsen geritzt. Je mehr Eisenerz darin enthalten ist, desto dunkler und roter wird die Farbe des Mineralgesteins.

Die Sonne ist an der Glen Helen Gorge inzwischen untergegangen. Friedlich liegt der Finke River in seinem Bett - und es ist kaum zu glauben, dass der Fluss auch ganz anders kann. Denn die Glen Helen Gorge wirkt wie ein Flaschenhals für den 700 Kilometer langen Fluss. Nach starkem Regen verwandelt sich die Fläche direkt vor der Schlucht schon mal in eine Seenlandschaft.

Viel Regen gab es im Südhalbkugel-Sommer 08/09, als aus dem roten zeitweise ein grünes Zentrum mit fast schon üppiger Vegetation wurde: Das Gras stand hoch in den West MacDonnell Ranges, wo sonst karge, rote Erde dominiert.

Albert Namatjira hat die Landschaft zu jeder Jahreszeit gemalt. Wer seinen Spuren folgen will, kommt um eine weitere Tagestour von Alice Springs aus nicht herum: Es geht in den 350-Einwohner-Ort Hermannsburg, wo der Künstler am 28. Juli 1902 zur Welt kam. Hermannsburg ist eine 1877 gegründete Missionsstation der lutherischen Kirche von Südaustralien, in der lange Zeit Pastoren aus Deutschland tätig waren. Geblieben ist die Missionskirche.

Namatjiras, der weltbekannte Künstler, starb 1959. Wer sein Grab sehen will, muss nach Alice Springs, auf den Friedhof neben dem Araluen Cultural Precinct mit seinen vielen Kunstgalerien.