Ijsselmeer: Touristen werden zu Seebären

Segel hissen auf dem Ijsselmeer. Auf der „Mon Désir“ hat Matrosin Anneleen Bongaerts das Kommando.

Enkhuizen. Das Wichtigste zuallererst: „Wo sind die Rettungswesten? Was ist zu tun, wenn wir wirklich in Seenot geraten sollten?“

Im Hafen von Enkhuizen unterweist Anneleen die neuen Gäste an Bord des Plattbodenschiffs „Mon Désir“. Die nächsten fünf Tage werden 20 Landratten auf dem Traditionssegler verbringen und dabei das Leben und auch die Arbeit auf See kennenlernen.

Eine Stunde lang werden die Gäste von Anneleen im Segelsetzen angelernt. „Trockensegeln“, so nennen sie das. Anneleen macht den Landratten klar: „Auch beim Segelsetzen hören alle auf mein Kommando, Segeln kann man nur im Team.“

Anneleen Bongaerts ist die Matrosin auf dem 1903 erbauten Zweimaster, ihr Lebenspartner Sebastiaan Prins der Skipper. Dann endlich heißt es für die Gäste „Leinen los“, und mit Motorkraft steuert Kapitän Prins das Segelcharterschiff langsam hinaus aufs Ijsselmeer.

Die „Mon Désir“ — auf Deutsch „Mein Verlangen“ — ist einer von etwa 500 Traditionsseglern, die mit Touristen auf Törns gehen. Auf dem Plattbodenschiff können bis zu 25 Gäste mitsegeln. In dessen ehemaligem Frachtraum unter Deck sind Küche und Gemeinschaftsraum und die Schlafplätze in Doppelkabinen und Dreierkajüten.

„Mit Segeln erlebt man mehr als nur das Meer“, ist Sebastiaan Prins’ Motto für die Törns mit Touristen. „Jede Gruppe ist anders, und jede Tour ist anders, wenn auch die Zielhäfen dieselben bleiben“, erläutert Prins.

Vom Heimathafen Enkhuizen in Nord-Holland steuert er die „Mon Désir“ quer über das Ijsselmeer nach Lemmer, Hindeloopen, Stavoren und Makkum. Eine Wochentour kann die Gäste in die friesische Hafenstadt Harlingen und übers Wattenmeer zu den niederländischen Nordseeinseln führen, Wochenendtrips auch mal nach Hoorn, Edam, Volendam und Amsterdam.

„Das hängt von den Wünschen der Gruppe ab und natürlich vom Wind“, sagt Sebastiaan Prins. „Wenn du tagelang nur Flaute hast, dann sieht das schlecht aus mit dem Abstecher nach Texel oder Terschelling.“

Für Segeltrips auf dem Ijsselmeer beginnt die Saison im Mai und endet Anfang Oktober. Besonders begehrt sind Fahrten an den Brückentagen oder verlängerten Wochenenden in Deutschland. „90 Prozent unserer Mitsegler kommen aus Deutschland.

Beliebt sind die Touren bei Abiturklassen, aber auch bei Vereinen oder Großfamilien“, erzählt Pouwel Slurink, Direktor des Segelcharterers Nautische Partner in Lelystad. Mit einer Flotte von rund 100 Traditionssegelschiffen gilt Naupar als größter Charterbetrieb für Plattbodenschiffe in den Niederlanden.

„Je nach Schiffsgröße kommen zwischen zwölf und 40 Passagiere an Bord. Die Stammbesatzung besteht aus zwei oder drei Matrosen und dem Skipper“, erläutert Slurink.

So unterschiedlich wie die Schiffsgröße ist die Ausstattung. Von kleinen Kajüten mit Gemeinschaftsduschen bis zur geräumigen Kabine mit komfortablem eigenem Whirlpool reicht das Angebot. Entsprechend unterschiedlich sind natürlich auch die Charter-Preise.

Eins der größten Schiffe mit sehr viel Komfort ist die 58 Meter lange „Soeverein“ für bis zu 44 Segler. Der Dreimaster erinnert an die Segelschiffe der Niederländischen Ostindien-Kompanie, die im 17. Jahrhundert von Amsterdam, Hoorn und Enkhuizen aus bis nach Indonesien auf den Weltmeeren unterwegs waren.

An Bord der Traditionssegler gibt es keinen Schiffskoch, die Gäste verpflegen sich selbst und kochen für die Stammbesatzung mit. Schon am ersten Tag stellt sich heraus, wer die „Smutjes“ sind und wer die Küchendienste unter Deck übernimmt. „Das Kochen an Bord ist kein Problem, schließlich ist die Kombüse voll ausgestattet“, erzählt Anneleen Bongaerts.

„Schwerer tun sich viele Landratten damit, zuvor an Land die richtigen Mengen für 15 oder 20 Hungrige einzukaufen.“ Wie viele Kilo Kartoffeln werden von 20 angehenden Seebären während einer Woche verputzt? Welche Mengen an Brot und Butter, Kaffee und Tee braucht man?