In Lusern leben die letzten Bayern Italiens

Lusern (dpa/tmn) - In Lusern wird jede Geburt als Geschenk gefeiert. Schließlich leben in dem Dörfchen nur noch 300 Einwohner, die Zimbrisch sprechen, eine alte bairische Mundart. In einer Pinakothek und einem Dokumentationszentrum zeigen sie Besuchern ihre alte Kultur.

Der letzte Zufluchtsort der Zimbern liegt hinter vielen Bergen an einem grünen Hang. In dem kleinen Dörfchen Lusern, 1333 Meter über dem Meeresspiegel, sagen die Leute „'s baibe“ zur Ehefrau und „di diarn“ zum Mädchen. Sie sprechen einen alten deutschen Dialekt - mitten in Italien.

Das Zimbrische ist eine von den Jahrhunderten verformte bairische Mundart, die für Deutsche nur schwer und für Italiener gar nicht zu verstehen ist. Vor fast 1000 Jahren brachten Bauern aus Bayern die Sprache nach Italien, als sie vor Dürre und Hungersnot in den Süden flohen. Sie siedelten so tief in den Tälern der Voralpen, dass sich das Zimbrische im Schutz der Berge erhalten konnte.

Luigi Nicolussi, 61, war 25 Jahre lang der Bürgermeister von Lusern. Er ist ein freundlicher Mann auf großer Mission: Er will das Zimbrische als gesprochene Sprache bewahren. Es ist eine schwierige Aufgabe für die knapp 300 Einwohner, die Lusern zählt. Das Wort Geburt hat Nicolussi deshalb aus seinem Wortschatz gestrichen, zu nüchtern, zu kalt klingt es ihm für so ein besonderes Ereignis. Er spricht jetzt von Geschenken. „Drei Kinder wurden uns in diesem Jahr geschenkt“, sagt er. Für Lusern ist das viel. Jeder Zimber zählt. „Ein Prozent Wachstum“, sagt Nicolussi stolz.

Die Welt, in welche die kleinen Zimbern hineingeboren werden, liegt abgeschieden. Von Vicenza und Trento aus schlängeln sich Sträßchen durch dichte Wälder und führen in Serpentinen den Berg entlang. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Lusern und die benachbarten zimbrischen Gemeinden wie Asiago oder das Fersental italienisch. Der alte Dialekt galt bald als Barbarensprache, wer sie benutzte, riskierte eine Strafe. Das Zimbrische wurde aus dem Alltag verdrängt. Nur in Lusern hat es sich erhalten.

Das Dorf drängt sich am Berg, steinerne Alpenhäuser, mit bunten Blumen geschmückt. Es gibt einen Fußballplatz, der selten bespielt wird, und einen Friedhof, der über der Tiefe hängt. „Giovanni-Hänsle“, solche Vornamen sind auf den Grabsteinen zu lesen. Vier Fünftel der Einwohner tragen den Nachnamen Nicolussi. Zweimal pro Woche kommt der Pfarrer, dreimal der Arzt.

In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan. Es gibt nun eine kleine Pinakothek, in der regionale Künstler ausstellen, zwei Hotels und ein Dokumentationszentrum für Geschichte und Kultur der Zimbern. Ein altes Haus wurde zum Museum umfunktioniert, mit Möbeln und Trachten, die die alte Lebensweise zeigen.

Es war Luigi Nicolussi, der die Veränderungen angestoßen hat. Wer bekannt ist für seine Kultur, glaubt er, dem kann sie nicht so leicht genommen werden. Urlauber kommen vom Gardasee aus in ein bis zwei Stunden hierher und können neben Lusern auch die nahe gelegenen Sette Comuni (Sieben Gemeinden) rund um Asiago besuchen. Dort sprechen die Einwohner zwar nur noch vereinzelt Zimbrisch, doch das alte Kulturerbe wird weiter gepflegt.

Seit 2001 sind die Zimbern als deutschsprachige Minderheit auch gesetzlich anerkannt. Die Luserner Kinder bekommen im Kindergarten und in der Schule Zimbrisch-Unterricht, es läuft sogar eine wöchentliche zimbrische Nachrichtensendung im Fernsehen. Luigi Nicolussi ist das nicht genug. Zwar sind die Straßennamen in Lusern schon groß auf Zimbrisch angeschrieben, „Prünnle“ heißen sie oder „Eck“. Doch noch immer sind darunter auch die italienischen Bezeichnungen zu finden. Nicolussi sitzen sie wie ein Stachel im Fleisch: „Wir werden erst Ruhe geben, wenn die italienischen Namen ganz verschwunden sind.“

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