ITB: Die weltgrößte Messe wird jetzt auch pink

„GAYANDLESBIANTRAVEL“ Erstmals präsentiert sich der schwule Reisemarkt in einer eigenen Halle.

Berlin. Im Winter fahren sie Ski in Whistler oder Sölden, im Sommer sonnen sie sich am Strand von Es Cavalet auf Ibiza, entspannen in der Lounge-Bar "Heile Welt" im Berliner Szenebezirk Schöneberg oder amüsieren sich beim Rosa Rodeo im kanadischen Calgary: Schwule Touristen sind überall - und gewinnbringend. Die Internationale Tourismusbörse Berlin (ITB) bleibt davon nicht unberührt.

Bereits seit Ende der 1990er-Jahre tummeln sich Vertreter des Gay-Reisemarkts auf der weltweit größten Tourismusbörse. Doch 2010 stellt die Messe vom 10. bis 14.März erstmals offiziell das Segment "Gay & Lesbian Travel" in der Halle 2.1 vor.

Für das neue Segment ist die Messe Berlin-Managerin Rika Jean-Francois verantwortlich: "Lesben und Schwule definieren eine eigene Konsumentengruppe mit bestimmten Ansprüchen, die auch eine besondere Infrastruktur erforderlich macht. Nicht anders als beispielsweise bei Jugend-, Adventure- oder Best Ager-Reisen. Wir sprechen also über ein touristisches Marktsegment. Und einen erheblichen Wachstumsmarkt."

Warum es aber so lange währte, was jetzt endlich rosa glänzt, bringt Thomas Bömkes nüchtern auf den Punkt: "Die ITB hat die Wichtigkeit des Markts erkannt." Der Inhaber der Agentur Tom Consulting berät Fremdenverkehrsbüros, Hotels oder Airlines, die im Gay-Tourismus aktiv werden möchten. Stolz ergänzt er: "Nachdem so viel Vorarbeit geleistet wurde, ist es schön zu sehen, dass wir endlich ernst genommen werden."

Der schwule Reise-Experte der ersten Stunde erinnert sich: "Anfangs wurden wir nur spöttisch belächelt." Aber schon 2006 wählten die Messe-Besucher den Gemeinschaftsstand der lesbisch-schwulen Aussteller in die Top-Zehn der Besten. In den beiden Folgejahren reüssierte auch der von der Berliner Agentur Publicom organisierte "Pink Pavillon".

Allerdings zog sich die Agentur von Robert Kastl, die auch den Christopher Street Day in Berlin mitorganisiert und weltweit touristisch bewirbt, überraschend zurück. Die kooperierende International Gay & Lesbian Travel Association, ein vornehmlich in Amerika aktiver Verband, fasste daraufhin den Entschluss, sich 2009 am Pavillon der amerikanischen Aussteller zu beteiligen. Doch gemeinsam unter einem Dach mit den USA? Das war vielen schwulenfreundlichen Ausstellern zu heikel.

Ein nicht akzeptabler Rückschlag, fanden Rika Jean-Francois und Thomas Bömkes. Sie gingen in die Offensive. Schließlich überzeugten sie die Messeleitung davon, einen eigenen internationalen Gay & Lesbian Travel-Bereich einzurichten. Geboten wird auch ein offizielles Begleitprogramm: Am ITB-Freitag läuft im Rahmen des begleitenden Kongresses ein Fachbesucher-Workshop.

Dirk Baumgartl, Chefredakteur des Magazins Spartacus Traveller, ein szeneweit anerkanntes Flaggschiff der schwulen Publikationen, sieht das Coming-out der ITB positiv: "Große und kleine Anbieter können die Zielgruppe gezielter ansprechen und deutlich machen, dass sie sich für schwule Urlauber interessieren."

Schwule Männer haben selten Kinder, dadurch mehr in der Reisekasse und müssen keine Rücksicht auf die Schulferien nehmen. Schwule investieren das so Gesparte gern in den Zweit- oder Dritt-Urlaub.

TUI Leisure Travel hat bereits den zweiten "Magalog für schwule Männer" veröffentlicht. Die Auflage stieg von 185 000 auf 205 000 Exemplare. Inmitten der Weltwirtschaftskrise zeichnet sich ein neuer Trend ab: Rosa statt rote Zahlen.

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