Kreuzfahrten: Boom ohne Ende?

Frankfurt/Main (dpa) - Kreuzfahrten für Heavy-Metal-Fans oder Parfümliebhaber - Urlaub auf hoher See ist längst kein Nischenprodukt mehr für betuchte Ruheständler. Das Geschäft boomt.

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Die Zahl der Passagiere steigt rasant, die Orderbücher der Reedereien sind prall gefüllt. Allein in diesem Jahr heißt es Leinen los für sieben neue Kreuzfahrt-Giganten - zwei für den deutschen Markt: die „Aida Prima“ und „Mein Schiff 4“ von Tui Cruises. Bis 2017 sollen weltweit nach derzeitigem Stand 25 neue Schiffe und damit knapp 71 000 Betten in Dienst gehen. Macht sich die Branche das Geschäft am Ende mit Überkapazitäten selbst kaputt?

Die Nachfrage nach Hochseekreuzfahrten scheint vorerst ungebrochen: Seit 2004 hat sich die Zahl der Kreuzfahrer aus Deutschland verdreifacht - auf 1,77 Millionen Passagiere im vergangenen Jahr. Und die Branche hat ehrgeizige Ziele. „Bis 2016 wollen wir die 2-Millionen-Marke knacken, bis 2020 peilen wir noch einmal eine weitere Million Passagiere an“ sagt der Deutschland-Chef des Kreuzfahrtverbandes CLIA, Michael Ungerer.

Zum Vergleich: 1993 gingen nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) gerade einmal rund 183 000 Bundesbürger auf große Fahrt. „Die Kreuzfahrt ist das touristische Segment, das derzeit am stärksten wächst“, sagt Tui-Cruises-Chefin Wybcke Meier.

Meier sieht noch deutliche Luft nach oben: „Angesichts von 70 Millionen Urlaubsreisen ist der Anteil der Kreuzfahrer noch sehr gering.“ Für 2016 seien bei Tui Cruises bereits 20 Prozent der Kapazitäten verkauft - der gleiche Wert wie im Vorjahr, obwohl mehr Schiffe zur Verfügung stehen.

Auch Ungerer, der gleichzeitig Chef von Aida Cruises ist, sieht keine Gefahr von Überkapazitäten: „Die Branche ist im vergangenen Jahr vor allem deshalb nur einstellig gewachsen, unter anderem weil nicht mehr neue Kapazitäten zur Verfügung standen. Wir hätten gerne mehr Schiffe für den deutschen Markt.“ Die Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum sind in seinen Augen gut: „Deutschland steht wirtschaftlich gut da. Kreuzfahrturlaub liegt voll im Trend, auch als Zweit- und Dritturlaub.“

Weltweit waren im vergangenen Jahr nach Angaben des Kreuzfahrtverbandes CLIA 293 schwimmende Hotels mit einer Kapazität von 448 729 Betten auf hoher See unterwegs. Besonders beliebt ist der Rund-um-Sorglos-Urlaub mit Unterhaltung an Bord und Sightseeing an Land bei den Deutschen. Sie haben mittlerweile die Briten von Platz zwei verdrängt. Nur die Amerikaner liegen weltweit noch davor.

„In Großbritannien oder den USA sind Kreuzfahrten schon länger ein Produkt für den Volumenmarkt“, sagt Meier. In Deutschland war die Urlaubsform wegen vergleichsweise hoher Preise lange Zeit nur etwas für Besserverdienende. Das hat sich in den vergangenen Jahren mit Aida und Co. deutlich geändert. Meier spricht von einem Nachholeffekt in Deutschland.

„Aida, Tui Cruises und Co. haben es geschafft, Kreuzfahrten aus dem Senioreneck herauszuholen“, sagt Tourismusexperte Roland Gassner vom Marktforschungsunternehmen GfK. Seit einigen Jahren sei Urlaub auf hoher See bei entsprechenden Kinderbetreuungsangeboten für manche Familien eine Alternative zu den klassischen Badeferien.

Inzwischen locken ausgefeilte Entertainment-Konzepte, Theater, Kino, Konzertsäle, Spa- und Sportbereiche oder Themenreisen ein breiteres Publikum. Der „Durchschnittskreuzfahrer“ ist CLIA zufolge 49 Jahre alt, verheiratet, mit einem Jahreseinkommen von 114 000 Dollar. Etwas darüber liegt mit 50,4 Jahren das Durchschnittshalter der Passagiere aus Deutschland. (2001: 50,9 Jahre).

Dass die Nachfrage ungebrochen ist, lässt sich auch an den Preisen ablesen. Im vergangenen Jahr stieg der durchschnittliche Tagespreis deutscher Anbieter leicht um 1,38 Prozent auf rund 173 Euro. „So wie sich derzeit Angebot und Nachfrage entwickeln, rechnen wir mit gleichbleibenden Preisen“, sagt Meier. Ein Preiskampf wie er zum Beispiel im Flusskreuzfahrtsegment tobt, sei nicht zu erwarten.

Angesichts immer neuer Hochseegiganten, könnten die Preise langfristig allerdings unter Druck geraten, sagt Gassner. Auch Martin Lohmann vom Institut für Tourismus und Bäderforschung sieht die Gefahr von Überkapazitäten. Zwar gebe es noch Luft nach oben bei den Passagierzahlen. „Es ist aber unwahrscheinlich, dass alle Urlauber Kreuzfahrten machen, die Konkurrenz durch andere touristische Produkte ist groß“.

Hinzu kommt: Schon heute kann mancher Hafen den Ansturm kaum noch bewältigen. „Es gibt nicht so viele Häfen, die Platz für Kreuzfahrt-Riesen mit 4000 Passagieren an Bord haben“, sagt Lohmann. Der DRV fordert, die Infrastruktur der Häfen müsse mit dem wachsenden Bedarf Schritt halten. Naturschützer kritisieren dagegen Luftverschmutzung der Innenstädte durch die Kreuzfahrt-Giganten. Lohmann hat allerdings schon einen neuen Trend ausgemacht: „Kleine Schiffe mit exklusiven und hochpreisigen Angeboten“.