Mit japanischem Navi durch die Stadt

Japan: Den Mount Everest besteigen? Mit Haien vor Bora Bora tauchen? Nein. Das wirklich große Abenteuer ist Autofahren in Nippon. Unser Reporter Uli Preuss beim Selbstversuch.

Herr Sueyoshi geht mit kritischem Blick um den Kleinwagen und trägt vorhandene Lackschäden in unseren Vertrag ein. Hier ein Kratzer, da ein Beulchen. Der Autovermieter in Fussa, West-Tokio, bei dem wir den Kleinwagen für fünf Tage übernehmen, ist kleinlich. Dann die Schrammen an den rechten Felgen. Später weiß ich warum. An japanischen Mautstellen ist der Seitenabstand zum Kassierer und damit zum Bordstein der Garaus für jede Felge. Autofahren in Japan - eines der letzten großen Abenteuer kann beginnen.

Damit kann ich an meinem Stammtisch trumpfen. Können die anderen mit Segeltörns in der Antarktis, mit Sharkdiving vor Südafrika prahlen, ich habe den Kreuzbuben. Zugegeben, ich bin schon in Kambodscha Auto gefahren. Auch nicht schlecht, wenn in tiefdunkler Nacht auf unbeleuchteten Brücken lastwagengroße Löcher im Boden auftauchen. Doch in Japan ist es die Sprache, die einen Sightseeing-Trip zur fahrtechnischen Durchhalte-Übung werden lässt. Heute geht es nach Seki. Das liegt wunderbar in der Präfektur Gifu zwischen den herbstlichen Bergwäldern der Hauptinsel Honshu.

Japanische Autos sind Hightech-Systeme. Dauernd redet eine elektronische Stimme mit mir, die ich nicht verstehe. Nachdem mich die Lady im Navi müde gequasselt hat, schlage ich eine Pause vor. Wir halten an einer Autobahnraststätte. Man könnte meinen, hier sei Jahrmarkt. Tausende Menschen, Marktstände mit regionalen Produkten und Supermärkte - hier lässt es sich nach Herzenslust schlemmen.

Wir trinken einen Kaffee und fahren weiter. Denn um fünf Uhr wird es im Herbst dunkel, Japans Straßen sind leidlich beleuchtet, die Fahrt ist lang und entgegenkommende Trucks benutzen grelle LCD-Technik.

Blau, rot und grün leuchtet es und irritiert das ungewohnte Auge. Außerdem: Japans Expressways eignen sich bei 80Stundenkilometern erlaubter Höchstgeschwindigkeit nicht zum schnellen Fahren, und man verschätzt sich bei einem 300 Kilometer langen Trip, der in Deutschland zweieinhalb Stunden dauern würde, gewaltig.

Einige Stunden später: Die Stimme aus dem Gerät, das mit seiner leuchtend grünen Karte meiner Orientierung hilft, klingt lieblich und verspricht Gutes: "Nanahyaku Meter Saki, Migigigawa hoko desu", kündigt die freundliche Dame im Navigationsgerät meines kleinen "Toyota Ist" rund einen Kilometer vor der Ausfahrt an. Maki, die beste Reisebegleitung, die es je gab, übersetzt: "Du musst in 700Metern links abbiegen."

Warum Maki Nakaoka in Japan nicht selbst fährt? Die Friedensdorf-Mitarbeiterin, mit der ich vier Wochen auf einer Vortragsreise unterwegs bin, wohnt seit Jahren in Deutschland. Ihr japanischer Führerschein ist abgelaufen. Das ist Gesetz in Japan: Am Anfang auf Probe, wird der japanische "Lappen" mit zunehmender, aber auch nachgewiesener Fahrsicherheit in bestimmten Zeitabständen verlängert - je nach Alter und Unfallfreiheit.

Aufwand für mich, denn die Japaner kennen meinen internationalen Führerschein nicht an. Das liegt daran, dass Deutschland 1949 das Abkommen der Genfer Konvention nicht unterschrieben hat. Ich musste meinen Lappen in meiner Heimatstadt Solingen beglaubigen lassen. In Japan erhielt ich eine japanische Übersetzung, mit der ich sechs Monate im Land fahren darf.

Übrigens: In Japan fährt man auf der linken Seite. Für Raser auf der Autobahn heißt das: Die Überholspur ist rechts. Dort wird sehr diszipliniert gefahren, bis auf die eiligen Trucks, die bei einer üblichen Geschwindigkeit von knapp über 100 km/h dem Toyota die Stoßstange küssen. Ein moderner Kleinwagen verbraucht bei diesem Tempo (in der Stadt sind es 40 km/h) kaum Sprit. Wir kommen auf unserer Tour mit knappen fünf Litern auf 100 Kilometern aus. Und wenn ich unser Navigationsgerät verstünde, wäre ich wohl begeistert.

Sogar buddhistische oder shintuistische Tempel und Schreine zeigt unser kleiner Freund an. Der Clou, den es vielleicht schon in Deutschland gibt: Gibt man die Telefonnummer des Hotels ein, ist das Navi programmiert. Leichter geht’s nicht! Es wäre gar nicht so schwer, hier im Land der aufgehenden Sonne zu fahren, wenn die Verkehrsschilder nicht allzu oft das Fahrziel in japanischer Schrift ankündigen würden. Ja, gut, Maki, in diesem Fall die zweitbeste Reisebegleitung von allen, übersetzt.

Ein paar Mal sind wir knapp an der Ausfahrt vorbeigefahren und standen in stockdunkler Nacht vor einer völlig falschen Mautstelle.

Tage später in Tokio. Was für eine Stadt. Kein Platz mehr. Die Hochhäuser grenzen direkt an den zweispurigen Expressway. Wir geben den Wagen mitten im quirligen Stadtteil Shinjuku in einer kleinen Garage ab und bekommen Geld zurück, weil wir - und das kann man sich eigentlich kaum vorstellen - vier Stunden zu früh sind.