„Mono no aware“: Aufstieg zum heiligen Berg Fuji

Kawaguchiko (dpa/tmn) - Die Verehrung des Fuji-san hat in Japan seit Jahrhunderten Tradition. Viele Japaner wollen einmal im Leben auf dem heiligen Berg stehen. Warum eigentlich? Der Aufstieg ist längst keine spirituelle Reise mehr, sondern ein hippes Freizeitvergnügen.

„Mono no aware“: Aufstieg zum heiligen Berg Fuji
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Die Besteigung des Fuji beginnt auf 2305 Metern mit kollektiven Dehnübungen. Etwa 20 Japaner strecken die Beine und Arme, ziehen den Kopf mit der Hand auf die Schulter. Die Männer tragen bunte Funktionsjacken, die Frauen pinke Gamaschen und Wanderstiefel. Es sieht aus wie bei einer Modenschau. Geschäfte bieten Souvenirs feil: T-Shirts, Tassen und Accessoires. Hier, an der sogenannten 5. Station des Berges, halten die Busse mit den Touristenscharen.

„Mono no aware“: Aufstieg zum heiligen Berg Fuji
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Sie wollen auf den Fuji steigen, den höchsten Gipfel Japans mit seinen 3776 Metern. Die Japaner verehren den Berg wegen seines symmetrischen Vulkankegels und weil sie dort Konohanasakuyahime vermuten, die „Göttin der aufblühenden Baumblüten“. Ihr zu Ehren wurden um und auf dem Berg unzählige Shinto-Schreine errichtet. Es ist August, Hochsaison: Hunderte Japaner praktizieren nun täglich den Fuji-Kult. Mit Religion hat er allerdings kaum noch etwas zu tun.

„Mono no aware“: Aufstieg zum heiligen Berg Fuji
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Die Wanderer starten auf breit angelegten Wegen. Schnell nimmt die Steigung zu, der Menschenstrom verlangsamt sich. Die meisten steigen an diesem Nachmittag zu einer der 20 Hütten am Berg auf, um am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang zum Gipfel aufzubrechen. Nebel zieht über die Hänge, die Landschaft ist karg. Bei der Ankunft auf der Hütte in 3450 Metern steht die Sonne schon tief am Himmel. Der Abend endet früh.

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Um drei Uhr morgens geht das Licht im Lager an, alle fangen an zu wühlen und sich anzuziehen. Draußen ist es stockfinster und eisig kalt, ein scharfer Wind peitscht durch die Nacht. Zum Frühstück gibt es einen Schokoriegel, dann setzt sich die Menschenmenge mit ihren Stirnlampen in Bewegung - wie eine leuchtende Perlenkette in der Dunkelheit.

„Mono no aware“: Aufstieg zum heiligen Berg Fuji
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Kurz bevor es zu dämmern beginnt, haben sich auf dem Gipfel bereits mehrere Dutzend Wanderer versammelt. Der Horizont färbt sich dunkelblau, langsam schiebt sich ein roter Schimmer zwischen Himmel und Erde. Gleich geht die Sonne auf.

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Für das Gefühl in diesem Augenblick gibt es im Japanischen den Begriff „mono no aware“. Er beschreibt ein plötzlich auftretendes, tiefes Empfinden, eine Empfänglichkeit für die vergängliche Schönheit der Dinge und die sanfte Traurigkeit, die damit einhergeht.

Die japanischen Touristen betrachten die aufsteigende Sonne vor allem durch die Linsen ihrer Kameras. Jeder möchte einmal vor dem Gipfelstein posieren. Als die Sonne ganz zu sehen ist, zerstreuen sich die Touristen und wenden sich wieder den Hütten und Buden zu. Bergab geht es ziemlich schnell über eigens angelegte Schotterpisten, damit die aufsteigenden Wanderer nicht behindert werden. Die Abfertigung der Touristen soll reibungslos weitergehen.

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