Rom kämpft gegen Foto-Gladiatoren
Rom (dpa) - Jeder Rom-Tourist kennt sie: die unzähligen fliegenden Händler, die rollbaren Essensstände, die Straßenkünstler und Pantomimen. Der Stadt sind sie ein Dorn im Auge, vor allem die „Gladiatoren“ und „Legionäre“ am Kolosseum.
„Cheap price, bella foto, come and see“, so schallt den Touristen die Stimme eines Römers in antiker Uniform mit Helm und Beinschienen entgegen. Er sieht aus wie aus einem Bilderbuch oder dem Asterix-Heft entschlüpft. Um eben diese Foto-Legionäre, die sich am Kolosseum für ein großzügiges „Trinkgeld“ mit Touristen verewigen lassen, ist in der römischen Stadtverwaltung eine hitzige Diskussion entbrannt. Einem vor kurzem verhängten Verbot haben sich die Darsteller teils widersetzt. Es kam zu Festnahmen. Doch auch illegale Straßenhändler, zahllose mobile Kioske und wild parkende Touristenbusse plagen die Ewige Stadt, machen den Alltag zum Stress.
Für ein Foto mit einem falschen Legionär bezahlt der Rom-Tourist bis zu zehn Euro. Was mit einigen wenigen Hobby-Gladiatoren und ihren aus Besen, Toilettenbürsten und Sofastoffen gebastelten Kostümen begann, ist längst zum großen Geschäft geworden, zur echten Arbeit mit einer groben Schichteinteilung und internen Regeln. Das Fotomotiv-Angebot hat derartige Ausmaße angenommen, dass die Gegend rund um Kolosseum, Forum Romanum und Konstantinsbogen von der Polizei geräumt und zum Sperrgebiet für die „Darsteller“ erklärt wurde. Denn ob man in den Figuren nun eine Touristenattraktion oder schlichtweg eine Abzocke sieht - in jedem Fall bezahlen sie keine Steuern und arbeiten damit schwarz.
Doch nicht nur der antike Kern Roms, auch die Gegend um den Vatikan macht Sorgen. Dabei sind vor allem die allgegenwärtigen rollbaren Essensstände und die fliegenden Händler den Ordnungshütern, Anwohnern und Ladenbesitzern ein Dorn im Auge.
Außerdem gibt es Behinderungen durch Touristenbusse und Autos, die unerlaubt in zweiter Reihe halten. Schon im Frühjahr forderten die Betroffenen in Briefen an Bürgermeister Gianni Alemanno ein härteres Durchgreifen. Sie halten es für eine „Schande, dass der Petersdom von unzähligen Souvenirständen, Lastern, Kiosk-Wagen und widerrechtlichen Straßenhändlern verdunkelt ist“, und wollen notfalls selbst einschreiten.
Am Kolosseum setzten sich nun zwei der „Legionäre der ersten Stunde“, Manuel und Eugenio Sonnino, über das geltende Verbot hinweg und ließen sich im Kostüm direkt vor dem Amphitheater fotografieren. Auf die Aufforderung der Ordnungskräfte, sich aus dem Sperrgebiet zu entfernen, reagierten die Brüder mit Beleidigungen und drohten mit ihren Holzschwertern. Um einer Identifizierung zu entgehen, flohen die beiden „Zenturios“. Eine Polizeistreife nahm sie jedoch fest. Dabei wurden sie auch noch handgreiflich.
Während sich die gewaltbereiten Brüder nun verantworten werden müssen, posieren ihre Kollegen nicht mehr direkt vor dem Kolosseum. Verärgert sind sie dennoch: „Ich verstehe nicht, wieso wir jahrelang geduldet wurden und jetzt plötzlich gehen sollen“, meint Davide. Er ist 37 Jahre alt, hat zwei Töchter und arbeitet seit 13 Jahren als „Legionär“. Zusammen mit seinen Kollegen fordert er eine Anerkennung und Regelung ihrer Arbeit. Werde das Sperrgebiet aufgehoben, seien die Darsteller auch bereit, Steuern zu zahlen. Doch bisher haben Arbeitsgruppen und Treffen am runden Tisch keine Lösung gebracht.
Stadtteilbürgermeister Orlando Corsetti beklagt vor allem die immer häufigeren fahrbaren Essensstände in seinem Viertel. So sei die Verlagerung von Imbissbuden aus anderen Stadtteilen ins Zentrum genehmigt worden, obwohl dies eigentlich widerrechtlich sei. Er hat dabei den Stadtrat Giordano Tredicine von Silvio Berlusconis Partei Volk der Freiheit im Visier. Tredicines Familie soll Medien zufolge einen Großteil der Brötchen-Wagen und ihrer Stellplätze in der Hand haben.
Die Kioske verkaufen Panini, Snacks und Getränke zu hohen Preisen. Ihr Zielpublikum, genau wie das der „Legionäre“, der Straßenhändler und der Ständebetreiber sind die Touristen. Das Geschäft bewegt sich oftmals in Organisationsformen am Rande der Legalität. Tourismus ist für die hoch verschuldete Stadt Rom und die Umgebung zwar wichtig, wird so aber gleichzeitig auch zu einer Last.
Hinter allen römischen Maßnahmen steht nicht nur der Kampf gegen Schwarzarbeit, sondern auch die Befürchtung, dass die Gegend um das berühmteste Amphitheater Italiens - und zugleich die ganze Stadt - zur reinen Folklore und zum Kitsch verkommen.
Seit Monaten ist die Rede davon, dass Rom sich „in einen einzigen Suk“ (ein Marktviertel wie in arabischen Städten) verwandle. Die Stadt befindet sich in dem ständigen Konflikt, sowohl touristisches Museum als auch moderne Metropole mit echtem Leben sein zu wollen - und den Anforderungen auch seiner Einwohner gerecht zu werden. Das allgemeine römische Problem großer Verkehrsüberlastung wird am Kolosseum durch Touristenfänger, die Busse und durch jahrelange Metro-Bauarbeiten nur noch verstärkt.
Bei den angeprangerten Missständen und der Sorge um die öffentliche Ordnung ist offen, ob die Ewige Stadt irgendwann Lösungen finden kann, die für alle akzeptabel sind. Wenn nicht, behielte wohl Obelix Recht, der gern resigniert seufzt: „Die spinnen, die Römer.“