Reise durch die Highlands Schottland: Mann trägt wieder Rock

Eine Reise durch die Highlands zeigt, dass Schottland schon irgendwie eine Welt für sich ist — nicht nur wegen der Kilts.

Vor Touristenattraktionen posieren Dudelsackspieler in Kilts für Fotos. Doch auch im Alltag trägt der Schotte Rock. Glaubt man Hamish MacLennan von Chisholms Highland Dress in Inverness, einem der ältesten und angesehensten Kiltmacher Schottlands, ist die Nachfrage nach Schottenröcken in den vergangenen Jahren gestiegen. „Viele Leute hier oben sind Schotten aus Leidenschaft“, erklärt er. „Mit dem Streben nach Unabhängigkeit hat auch das Interesse an Kilts zugenommen, da der Schottenrock den Nationalstolz am besten ausdrückt.“

Wer einen Kilt kaufen will, hat die Auswahl aus etwa 11 000 karierten Stoffen, kann beim Scottish Register of Tartans aber auch eigene Farbmuster einreichen. Ähnlich wie hierzulande Dirndl und Lederhose wird der Kilt bei der jüngeren Generation zunehmend Kult. „Eine kleine Minderheit der Highland-Bewohner trägt täglich Kilt“, erzählt Hamish MacLennan, „aber es werden immer mehr. Ich selbst trug meinen Kilt früher nur zu Schulbällen, aber dann habe ich gemerkt, dass er viel bequemer ist als Hosen.“ In den zugehörigen Sporran-Beuteln, in denen früher Geld oder Nahrung mitgeführt wurden, verstaut der moderne Schotte Kreditkarte und Handy.

Foto: Pia Hoffmann

Zu Zeiten von Outlander und Highlander wurden die Kilts auf dem Fußboden in Falten gelegt. Dann musste man sich auf den Stoff legen, ihn um die Taille wickeln und das Reststück über die Schulter drapieren. Auf der Wiese vor Urquhart Castle, der Burgruine am Loch Ness, wird das traditionelle Anziehritual täglich für Touristen demonstriert.

Vor drei Jahren hat die Scottish Highland Games Association erstmals Kilt-Pflicht für all die starken Männer eingeführt, die sich bei den jährlichen Hochlandspielen im Baumstammwerfen, Steinstoßen und Fassrollen messen, musikalisch umrahmt von Dudelsackklängen. „Der Dudelsack ist musikalischer Ausdruck schottischer Identität“, erklärt Anette Hagan, Kuratorin an der schottischen Nationalbibliothek in Edinburgh. Die gebürtige Deutsche hat sich bereits während ihres Anglistik-Studiums mit dem Dudelsack-Clan der MacCrimmons beschäftigt und war Mitgründerin der „Bagpipe Association of Germany“, bevor sie 1993 nach Schottland auswanderte. „Die Schotten sind anders als die Engländer“, urteilt sie heute, „sozialistischer, gemeinschaftlicher, noch gastfreundlicher und überhaupt nicht geizig.“ Immerhin hatten die Schotten einst genug Geld, um rund 3000 Burgen und 2000 Schlösser zu bauen, von denen heute noch viele die Landschaft prägen. Intime Einblicke gewähren die noch bewohnten Schlösser des Landadels, der zum Erhalt der Gemäuer auf Eintrittsgelder angewiesen ist. In Cawdor Castle bei Nairn drängen sich Besucher sogar durchs private Schlafgemach von Lady Angelika Cawdor. Nur im Winter, wenn die Gräfin allein im Schloss residiert, macht sie die Schotten dicht.

Im Inverlochy Castle Hotel bei Fort William können Gäste die Nacht in einem schottischen Schloss verbringen. Die traumhafte Lage inmitten der Highlands beschrieb Queen Victoria 1873 mit den Worten: „Noch nie zuvor habe ich einen hübscheren oder romantischeren Ort gesehen.“ Champagner wird am Kamin unter dem prachtvollen Kronleuchter serviert, während eine Harfenistin schottische Weisen spielt.

Auch wer nur zum Abendessen bleibt, genießt auf Originalstühlen des norwegischen Königs einen majestätischen Ausblick und wird nach Anweisung von Michelin-Sternekoch Albert Roux königlich bekocht. Fisch steht auf fast jeder Speisekarte, allen voran schottischer Lachs. Chefkoch Alfie Little vom River House in Inverness ist für seine Fischspezialitäten bekannt. „Die Fischer kennen wir persönlich“, sagt er. „Die meisten Fische beziehen wir aus dem Meer, aber manche kommen auch aus den Flüssen und Bergseen.“

Wo das Fleisch für Lammgerichte und Rindersteaks herkommt, davon können sich Urlauber bei einem Spaziergang über die zahlreichen Schafswiesen und Weiden zotteliger Highland-Rinder selbst ein Bild machen.

Das schottische Nationalgericht Haggis, ein mit Innereien gefüllter Schafsmagen, ist für Fremde gewöhnungsbedürftig. Im einzigen Fünf-Sterne-Hotel in Inverness, dem Rocpool Reserve, wird Haggis daher zum Aperitif in Pralinengröße gereicht. Traditionell werden dazu „Neeps and Tatties“ (Rüben und Kartoffeln) mit Whisky-Soße serviert. „Whisky ist in Schottland so wichtig wie Bier in Deutschland“, sagt Kirsten Matthews von der Glen Ord Distillery in Muir of Ord, wo jährlich elf Millionen Liter Whisky hergestellt werden.

Besucher dürfen bei der Produktion zuschauen. Nur, wenn der gesamte Prozess in Schottland abläuft, darf die Flasche später als Scotch verkauft werden. „Sie können Schottland schmecken“, versichert Kirsten Matthews. „Unser Wasser ist sehr weich und torfig. Und schließlich bedeutet Whisky auf Gälisch ‚Wasser des Lebens’.“

Gälische Spracheinflüsse verleihen der Schottlandreise einen Hauch Exotik. Loch Ness klingt tiefgründiger als Lake Ness — ob mit oder ohne Ungeheuer. Und wenn die Straßenschilder auf der Fahrt nach Muchrachd, Inverfarigaig oder Beinn a’Mheadhoin zu Buchstabensalat verschwimmen und es die Aussprache nicht zulässt, nach dem Weg zu fragen, gibt selbst das GPS-Gerät auf. „Unsere Orte findet das Navi nicht“, sagt die nette Dame im Info-Center von Drumnadrochit lachend. „Wir sind es gewöhnt, dass Touristen fragend auf die Landkarte deuten.“ Auch wenn Schottland nicht eigenständig ist, eigen ist es allemal.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Visit Britain.