Traumstraße mit Lücke: Auf der Panamericana durch Amerika
Panama-Stadt (dpa/tmn) - Hunderte wagen jährlich die Abenteuerfahrt von Alaska bis Feuerland - mit Wohnmobil, Geländewagen oder Motorrad. Nicht alle schaffen es. Ohne Flugzeug oder Schiff läuft gar nichts.
Denn die Traumstraße hat in der Wildnis eine gefährliche Lücke.
Das waren Zeiten! Bis vor wenigen Jahren standen immer wieder gestrandete Touristen fassungslos vor der Deutschen Botschaft in Panama-Stadt. Sie fragten nach einem halben Tag Rückfahrt verzweifelt, warum die Straße kurz vor Kolumbien plötzlich endet. „Die ist doch auf unserer Karte dick eingezeichnet“.
Vor dem Zeitalter des Internets war es etwas schwieriger, an zuverlässige Reiseinformationen über die Panamericana, die Traumstraße der Welt, zu kommen. Manche Abenteurer kauften sich wohl die falsche Landkarte. Und manche machen das offenbar heute noch.
Im Darien-Nationalpark im Süden Panamas endet die Straße im Busch. Das Schutzgebiet ist wegen seiner unerforschten und seltenen Pflanzen und Tiere Unesco-Weltnaturerbe. Weiter geht die Panamericana erst nach knapp 100 Kilometern in Kolumbien. Diese Lücke, „Darien Gap“ genannt, ist der Übergang von Mittel- zu Südamerika.
Hier gibt es Malaria, Cholera, kleine Wasserstraßen, Sümpfe und Trampelpfade für indianische Ureinwohner, aber auch für Wegelagerer und die Drogenmafia. Im Darien wird die Asphaltstraße, die 300 Kilometer zuvor zehnspurig durch Panamas Hauptstadt führte, nach und nach zur Sand- und Holperpiste. Wenige Kilometer hinter dem Ort Yaviza ist an einer Reihe von Buden und Häuschen aus Holz im tiefsten Busch endgültig Schluss.
Die Panamericana zieht sich in ihrer längsten Nord-Süd-Verbindung etwa 26 000 Kilometer durch den Kontinent, nur ein Teil ist als klassische Schnellstraße befahrbar. Vor allem durch die USA und Mexiko geht es recht flott. Doch auf dem Land - vor allem in Zentralamerika, in Peru und Ecuador - machen mancherorts Pferdekarren, Ziegen und andere Tiere die Reise zur Geduldsprobe.
Und weil die Traumstraße seit Jahrzehnten Millionen Touristen anlockt - auch wenn viele nur ein kleines Stück befahren - schmückt sich gern jedes Dorf, jede Kirche, jeder See im Umkreis von 100 Kilometern mit dem Etikett der berühmten Route. Viele Nebenstrecken entstanden. Inzwischen locken über 45 000 Kilometer nach dem Motto „Wir sind Panamericana“ Besucher an. Durch 14 Länder führt sie, mit Seitenrouten sind es ein halbes Dutzend mehr.
Die Route ist eine Straße der Herausforderungen, der Schönheit, der Träume, Sehnsüchte und des Todes. Sie hat schon viele Opfer gefordert: bei Unfällen, Überfällen und auch bei Mordanschlägen, vor allem im Grenzgebiet zwischen Panama und Kolumbien.
Manche Globetrotter sind mit Auto und schwerem Bike ein bis zwei Jahre unterwegs, Radler brauchen drei bis fünf. Es geht auch schneller. Doch unterwegs locken so viele Highlights und Welterbestätten. Dazu zählen Maya- und Inka-Ruinen, feinsandige Palmenstrände, Kraterseen, Kolonialstädte, Wüste und Urwald mit üppiger Flora und Fauna sowie im Nord- und Südzipfel des Kontinents ewiges Eis.
Eines der berühmtesten Ziele nahe der Panamaricana ist der Atitlan-See im Hochland von Guatemala mit Vulkanen, ursprünglichen Maya-Dörfern und farbenprächtigen Märkten. Eine Verbindungsroute durch die Berge Anfang der 1940er Jahre hat den über 1500 Meter hohen See überhaupt erst auf die touristische Landkarte gesetzt.
In und um die Kleinstadt Panajachel am Atitlan leben über 1000 „Gringos“, darunter auch Künstler, Geschäftsleute und Aussteiger aus Deutschland. Manche sind auch während ihres Trips von Alaska nach Feuerland hier hängengeblieben oder später zurückgekehrt.
„Natürlich profitieren alle am See auch von der Panamericana“, sagt Hans Schäfer. Er stammt aus Allmendingen im Alb-Donau-Kreis und betreibt im 600-Seelen Dorf Jaibalito am See eine Posada mit Zimmern, Speis' und Trank. Schäfer, der früher viel Motorrad fuhr, hat noch einen Tipp: „Bitte nicht nach Sonnenuntergang auf der Panamericana fahren. Wegen der häufigen Erdrutsche gibt es Behinderungen und Baustellen, die kaum beleuchtet und schlecht gesichert sind.“
Die Idee, Amerika vom Nord- bis zum Südzipfel mit einer durchgehenden Straße zu verbinden, ist fast 90 Jahre alt. 1925 unterschrieben 17 amerikanische Staaten in Buenos Aires einen Vertrag zum Bau der Mammutstraße. Die Strecke entstand nach und nach, Anfang und Ende in Alaska und im argentinischen Feuerland sind bis heute nicht geteert, und andere kleine Abschnitte auch nicht. Die Orte der Gletscher und des Eises haben außer Pinguinen und Eisbären auch nur sehr wenige Besucher.
Und wann wird die Panamericana zur Vollendeten und das Loch geschlossen? Die nächsten Jahre sicher nicht. Denn die fehlende Landverbindung nach Kolumbien schützt Urvölker und Natur im Darien und erschwert die Einfuhr von Drogen, Maul- und Klauenseuche. Da ist sich die Mehrheit der Panamaeños sicher. Das ist auch ganz im Sinne der Politik in Washington. Es gibt immer wieder private Pläne, einen regelmäßigen Fährbetrieb auch für Autos wieder aufzunehmen. Das würde Fahrzeit und Kosten reduzieren.
Abenteurer haben die Durchquerung der Darien-Lücke zu Fuß, mit Rucksack und Kanupassagen geschafft und darüber detailliert berichtet. Doch das Auswärtige Amt in Berlin warnt: „Im Osten und Süden der Urwaldprovinz Darien, insbesondere im Grenzgebiet zu Kolumbien, bestehen hohe Sicherheitsrisiken. Es wird dringend davon abgeraten, sich dort aufzuhalten.“
Im Reisehinweis für Panama findet sich für Unkundige in Zeiten des Internet tatsächlich folgender Hinweis: „Entgegen den Angaben auf verschiedenen Landkarten gibt es auch keine Straßenverbindung nach Kolumbien.“ Immer wieder riskieren Waghalsige aus Abenteuerlust die gefährliche Reise mit dem Geländemotorrad. Das wird dann häufig auf verschiedenen kleinen Booten verstaut, die auf Wasserarmen durch Wildnis und Dschungel schippern.
Informationen:
Arbeitsgemeinschaft Lateinamerika, An der Ruhbank 26, 61138 Niederdorfelden, Tel.: 06101/98 77 12, E-Mail: info@lateinamerika.org