Bad Ischl und 22 weitere Gemeinden eröffnen neue Einblicke ins Salzkammergut. Erstmals ist eine alpine Region Kulturhauptstadt Der Schatz, verborgen im Berg

Von Claudia Kasemann

Altaussee und die Salzwelten lohnen einen Ausflug.

Altaussee und die Salzwelten lohnen einen Ausflug.

Foto: Altaussee Foto Claudia Kasemann

Gut gewählt war der Ort. Man musste schon wissen, wo genau in der weitläufigen Altaussee-Region das Salzbergwerk lag, wo sich sein Zugang befand – und vor allem: was das Innere verborgen hielt. Einen wahren Schatz nämlich.

Von 1943 bis 1945 war die Saline im oberösterreichischen Salzkammergut ein NS-Versteck für Raubkunst und wertvolle Kunstgüter. Rund 6500 Werke, unter anderem der weltberühmte Genter Altar und Michelangelos Brügger Madonna sowie Statuen, Münzen, Möbel und Gemälde von Rembrandt, Tizian, Bruegel, Vermeer, Goya und vielen anderen lagerten in Regalen – und wären bei Kriegsende fast vernichtet worden, hätten nicht örtliche Bergwerksleute eine schon geplante Sprengung des Gewölbes durch die Nazis verhindert.

Die seinerzeitige Kunst-Rettung ergänzte die bewegte Geschichte des Salzkammerguts um ein weiteres spannendes Kapitel. Schon seit 1147 wird dort Salz abgebaut, und in diesem Jahr steht das „weiße Gold“ auch für den Titel Europäische Kulturhauptstadt, um den sich Bad Ischl und die Region als erster inneralpiner Zusammenschluss von 23 Gemeinden erfolgreich beworben hatte.

Bad Ischl und
die Kulturhauptstadt-Region

Bad Ischl repräsentiert sie und zeigt als „Bannerstadt“ Gesicht. Nicht von ungefähr fiel die Wahl auf das traditionsreiche Kur- und Kaiserbad: Mit den ersten Kur- und Erholungsgästen in den 1820er Jahren erlebte Ischl einen Aufschwung als Badeort, worauf Hotels und Landhäuser entstanden und sich die Infrastruktur entwickelte. „Von 1849 bis 1914 war Ischl die Sommerresidenz Kaiser Franz Josephs I. und erlebte eine gesellschaftliche und kulturelle Blütezeit“, heißt es in der Chronik unter https://badischl.salzkammergut.at1853 fand im heutigen Museum der Stadt die Verlobung Franz Josephs mit Elisabeth, Sisi, statt. Als Hochzeitsgeschenk bekam das Paar eine Sommervilla – die spätere Kaiservilla.

Und: „Am 28. Juli 1914 wurde in Bad Ischl Weltgeschichte geschrieben“, berichtet die Chronik weiter: „Kaiser Franz Joseph verfasste in der Kaiservilla das Manifest ,An meine Völker’, in dem er dem Königreich Serbien den Krieg erklärte. Dies sollte der Beginn des Ersten Weltkriegs werden.“

Große Geschichte also rechts und links von Traun und Ischl, an deren Ufern es sich bei klarer Luft und umgeben von schönster Berglandschaft bestens entspannen lässt. Natürlich nur in Besichtigungspausen, denn das Kulturhauptstadt-Jahr 2024 hat Gästen wie Einheimischen viel zu bieten. Unter www.salzkammergut-2024.at findet sich eine hervorragende Übersicht.

Zu Themen wie Tradition und Macht, Nachhaltigkeit und Regionalität, Kunst, Kultur sowie Tourismus werden Ideen präsentiert und künstlerische Vielfalt gezeigt. „Das Ziel ist, nicht nur zu unterhalten, sondern auch kritische Diskussionen anzuregen und einen Raum für Reflexion zu schaffen“, betonen die Projektverantwortlichen um die Künstlerische Geschäftsführerin Elisabeth Schweeger.

Sie beschreiten unkonventionelle Wege zur Präsentation des Salzkammerguts, zum Beispiel mit Comic-Künstler Simon Schwartz, der die wechselvolle Geschichte des Salzbergwerks Altaussee von der Steinzeit bis in die NS-Zeit in einer Graphic Novel umgesetzt hat.

Historische Ereignisse wie die Gemälde-Rettung als Comic – das geht ebenso wie der „Sound“ schmelzenden Eises, dem man in der zentralen Ausstellung im früheren Bad Ischler Sudhaus lauschen kann. „Kunst mit Salz und Wasser“ heißt sie und präsentiert Skulpturen, Installationen, Film-, Foto- und Klangarbeiten. Ein Teil der Schau nimmt Bezug auf die Konferenz „Open Water Dialogues“, bei der es um Probleme wie verschwindende Gletscher und weltweit zunehmende Wasserknappheit geht.

Ressourcen schonende regionale Küche

Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema in den Gemeinden der Kulturhauptstadt-Region. Ein Beispiel dafür findet sich am Traunsee im Restaurant „Bootshaus“: Dort praktiziert Lukas Nagl, 2023 von Gault & Millau als österreichischer „Koch des Jahres“ ausgezeichnet, ganzheitlichen Genuss, setzt auf lokale Produkte und regionale Fischauswahl, wobei jeweils der gesamte Fang verwendet wird – von der Flosse bis zur Haut.

Doch die wichtigste „Zutat“ im Kulturhauptstadt-Jahr bleibt das Salz und wie es die Bewohner des kaiserlichen Kammerguts über die Jahrhunderte geprägt hat. Noch ist gelegentlich die Rede vom „10. Bundesland“, das Anteile an Oberösterreich, Steiermark und Salzburger Land hat. Und auch vom Naturell der Salzkammergütler, traditionsbewussten Menschen, die ihren Weg gehen und sich trotzdem arrangieren. Zum Beispiel mit dem Tourismus, dessen beschauliches Image über Jahre vor allem älteres Publikum lockte. Wer denkt beim Stichwort Wolfgangsee nicht auch ans „Weiße Rössl“ und an Altkanzler Kohl? Gerade in Film und Serien sei das Salzkammergut oft nur Kulisse und die Landschaft „nichts als die ominöse, stumme Zeugin ihrer eigenen Schönheit“, wie es Bernadette Wegenstein im Buch zur Kulturhauptstadt formuliert.

Bad Ischl wirbt gemeinsam mit der Region dafür, die Oberfläche zu verlassen. Sich Zeit zu nehmen und buchstäblich hinter die Kulissen zu schauen. Dabei Humorvolles wie die ironische Sicht auf Kitsch und Klischees zu entdecken oder in echtes Brauchtum wie Maifeste und Fasching einzutauchen. Denn auf positive Art, wie Elisabeth Schweeger bestätigt und dazu schmunzelt, „ist das Salzkammergut eben auch ein wenig eigenwillig“.