Wien anders: „Im Jagdrevier der Schnepfen und Freier“

Ein ungewöhnlicher Rundgang.

Düsseldorf. Küss’ die Hand, gnädiger Leser! Wien - diese faszinierende, starke Melange aus Kunst und Kulinarischem, aus Schmäh und Charme, ist immer für Entdeckungen gut: Burgtheater und Stephansdom. Bummel über die pulsierende Kärntner Straße und Tortenpäuschen im weltberühmten Café Sacher.

Die imposanten Bauten der Kaiser im historischen Ersten Bezirk und die Spanische Hofreitschule mitten in der City. All’ das kannte ich schon. Also mal was anderes, was ganz anderes: "Fress, Sauf- und Unzuchthäuser. Im Jagdrevier der Schnepfen und Freier." So lautet der offizielle Titel meines alternativen Rundgangs.

Mit einer flotten Begleiterin der Sightseeing-Agentur begab ich mich auf die Suche nach tiefen Einblicken in Wiens Ausschnitt - ins pikante Innenleben. Ich sollte viel lernen auf diesem Studienspaziergang.

Vor der Michaelerkirche staunen Touristen über freigelegte Mauerreste der römischen Altstadt. Vor Jahrtausenden schon trafen sich hier verkleidete "Schabracken" und maskierte Männer, um dem ältesten Gewerbe der Welt nachzugehen. Und wo heute die Hofburg steht, trieben’s die alten Römer auf die Schnelle hinter Bäumen und Sträuchern. Sagt die Stadtführerin.

Genau da, wo in unseren Tagen die Fiaker auf Kunden aus aller Welt warten und einen kleinen Ausritt anpreisen. Hundert Meter entfernt, am Graben, flanierten einst die "Hübschlerinnen", nahmen ihre Freier mit in die angrenzende Naglergasse (so heißt die wirklich), in der sie zunächst in einem Wirtshaus kräftig dem Wein zusprachen und dann auf ihrem Zimmer im ersten Stock ihren modisch-dicken, aber falschen "Rosshaar-Hintern" abschnallten - ehe sie zunächst abkassierten und dann ihrer bestellten Betätigung nachgingen.

Weitere Stationen meines investigativen Rundgangs: Ein Großraum-Badehaus in der Kleeblattgasse - heute das "Café Seitensprung". Die Blutgasse, wo der begnadete Komponist und Musiker Wolfgang Amadeus Mozart im Figaro-Haus nicht nur die weltbekannte Oper schrieb, sondern auch mit Quecksilbersalbe seine Syphilis bekämpfte.

Erstaunlich: Schon im 18.Jahrhundert verwendete man - nachweislich, so die Stadtführerin - Kondome aus Schafdärmen und Fischblasen. Meistens begnügten sich die Männer allerdings damit, ihren exponierten Körperteil vor Bedarf kräftig mit einer Speckschwarte einzureiben. Weil Fett die Hautporen verschließt und so Krankheitskeime nicht eindringen. Jedenfalls hoffte man das.

Bereits seit 1964 sind alle Damen des horizontalen Gewerbes übrigens aus dem Innenstadtbereich Wiens verbannt. Heutzutage dürfen sie nur jenseits der Ringstraße flanieren, und das auch erst ab 21 Uhr.

Sagt die Stadtführerin.